ja, Frage steht oben. original: Johann Peter Hebel (1760-1826)
Der Zahnarzt
Zwei Tagdiebe, die schon lange in der Welt miteinander herumgezogen, weil sie zum
Arbeiten zu träg, oder zu ungeschickt waren, kamen doch zuletzt in große Not, weil
sie wenig Geld mehr übrig hatten, und nicht geschwind wußten, wo nehmen. Da
gerieten sie auf folgenden Einfall: Sie bettelten vor einigen Haustüren Brot
zusammen, das sie nicht zur Stillung des Hungers genießen, sondern zum Betrug
mißbrauchen wollten. Sie kneteten nämlich und drehten aus demselben lauter kleine
Kügelein oder Pillen, und bestreuten sie mit Wurmmehl aus altem zerfressenem
Holz, damit sie völlig aussahen wie die gelben Arzneipillen. Hierauf kauften sie für ein
paar Batzen einige Bogen rotgefärbtes Papier bei dem Buchbinder: (denn eine
schöne Farbe muß gewöhnlich bei jedem Betrug mithelfen.) Das Papier zerschnitten
sie alsdann und wickelten die Pillen darein, je sechs bis acht Stücke in ein Päcklein.
Nun ging der eine voraus in einen Flecken, wo eben Jahrmarkt war, und in den roten
Löwen, wo er viele Gäste anzutreffen hoffte. Er forderte ein Glas Wein, trank aber
nicht, sondern saß ganz wehmütig in einem Winkel, hielt die Hand an den Backen,
winselte halblaut für sich, und kehrte sich unruhig bald so her, bald so hin. Die
ehrlichen Landleute und Bürger, die im Wirtshaus waren, bildeten sich wohl ein, daß
der arme Mensch ganz entsetzlich Zahnweh haben müsse. Aber was war zu tun?
man bedauerte ihn, man tröstete ihn, daß es schon wieder vergehen werde, trank
sein Gläslein fort, und machte seine Marktaffären aus. Indessen kam der andere
Tagdieb auch nach. Da stellten sich die beiden Schelme, als ob noch keiner den
andern in seinem Leben gesehen hätte. Keiner sah den andern an, bis der zweite
durch das Winseln des erstern, der im Winkel saß, aufmerksam zu werden schien.
»Guter Freund«, sprach er, »Ihr scheint wohl Zahnschmerzen zu haben?« und ging
mit großen und
nach Jahr und Tag Zahnweh bekam, und in gutem Vertrauen mit dem kranken Zahn
einmal und zweimal darauf biß, da denke man an den entsetzlichen Schmerz, den er,
statt geheilt zu werden, sich selbst für 24 Kreuzer aus der eigenen Tasche machte.
Daraus ist also zu lernen, wie leicht man kann betrogen werden, wenn man den
Vorspiegelungen jedes herumlaufenden Landstreichers traut, den man zum
erstenmal in seinem Leben sieht, und vorher nie und nachher nimmer; und mancher,
der dieses liest, wird vielleicht denken: »So einfältig bin ich zu meinem eigenen
Schaden auch schon gewesen.« - Merke: Wer so etwas kann, weiß an andern Orten
Geld zu verdienen, lauft nicht auf den Dörfern und Jahrmärkten herum mit Löchern
im Strumpf, oder mit einer weißen Schnalle im rechten Schuh, und am linken mit
einer gelben.
meinen Text schreib ich gleich als Kommi.