Müssen depressive Menschen mit Samthandschuhen angefasst werden?
Meine Freundin ist leider depressiv. Sie verkriecht sich oft in ihrer Wohnung, schließt sich ein und will mit niemandem Sprechen. Wenn sie sich dann doch mal blicken lässt , hat sie sehr üble Laune, schreit herum und ist furchtbar empfindlich. Man darf nichts zu ihr sagen. Man traut sich auch gar nicht so recht, kommt ja doch gleich wieder ein Gewitter. Muss man solche Menschen immer mit Samthandschuhen anfassen oder kann man denen auch mal die Meinung sagen, ohne dass sich ihre Depressionen verschlimmern?
2 Antworten
hallo maeusezahn,
das ist sicher auch für dich als freundin, KEINE leichte situation.
vielleicht kannst du dir aus u.a. ratschlägen, hilfreiche tipps herausziehen, die DIR und DEINER FREUNDIN helfen:
Depression: Hinweise für Bezugspersonen
Hoffnung vermitteln
Weisen Sie den Patienten immer wieder darauf hin, dass Depressionen heute zu den besonders erfolgreich behandelbaren seelischen Erkrankungen gehören. Bei richtiger Therapie zeichnet sich meist schon innerhalb weniger Wochen eine sichtbare Besserung ab (bei Antidepressiva mitunter schon nach 14 Tagen bis 3 Wochen).
Lassen Sie sich durch die typischerweise pessimistischen Äußerungen und dauernden Zweifel des Kranken nicht entmutigen. Auch wenn sich ein antidepressiv wirkendes Medikament als ungeeignet erweisen sollte, ist dies kein Grund zur Resignation: Heute gibt es glücklicherweise eine Vielfalt unterschiedlicher Antidepressiva (und Kombinationsmöglichkeiten mit anderen Arzneimitteln), so dass man für die meisten depressiven Menschen eine für sie geeignete Medikation finden wird.
Unterstützen Sie den Patienten dabei, täglich einen Stimmungskalender zu führen und darin die Stimmungsverbesserungen zu protokollieren. Da depressive Menschen dazu tendieren, „alles schwarz zu sehen“, fällt es ihnen oft schwer, Behandlungsfortschritte zu erkennen.
Auf Appelle, Vorwürfe, „kluge Ratschläge“, Ablenkungsmanöver, Urlaubsempfehlungen und Überredungsversuche verzichten
Traktieren Sie den Patienten nicht mit moralischen Appellen (wie „die Haltung zu bewahren“, „sich zusammenzureißen“, „anderen das Leben nicht so schwer zu machen“).
Denn depressive Menschen haben nicht die Kraft, den Grauschleier über ihrer Gefühlswelt zu durchdringen und eingeschliffene Denkmuster zu verlassen. Appelle nagen nur an dem ohnehin meist schwachen Selbstwertgefühl. Sie verstärken Selbstzweifel, Mut- und Hoffnungslosigkeit.
Auch die oft schon vorhandenen Schuldgefühle werden durch Vorwürfe unnötig vermehrt. Meist wirkungslos sind außerdem Ablenkungsmanöver, Vergnügungsangebote, Zerstreuungsbemühungen und gut gemeinte Vorschläge, die Welt doch zu genießen.
Der Kranke will durchaus das Schöne im Leben sehen, aber er kann es einfach nicht.
Ähnliches gilt für Hinweise darauf, wie gut es dem Kranken eigentlich gehe und daß er sich doch darüber freuen müsse. Solche Bemerkungen vertiefen nur den Graben zwischen dem Kranken und Ihnen.
Eher selten profitieren Depressive von Urlauben, wo sie sich meist auch nicht freuen können und zudem häufig Schwierigkeiten haben, Kontakt zu anderen Menschen aufzunehmen. Nicht selten kommt in der fremden Umgebung auch schwere Angst hinzu.
Den Kranken entlasten und wertschätzen
Viele Depressive fühlen sich innerlich leer, erschöpft und kraftlos. In dieser Situation benötigen sie einen Schonraum (zum Beispiel in Form einer anfänglichen Krankschreibung) und Zuwendung.
Obwohl die Patienten durch ihr Verhalten (Antriebslosigkeit, Pessimismus, Abwertung der eigenen Person und anderer) nicht gerade dazu einladen, sind sie auf die Wertschätzung durch ihre Umwelt besonders angewiesen.
- Oft hungern sie regelrecht danach.
Halten Sie sich deshalb vor Augen, dass sich das für die Umwelt oft schwierige Verhalten des Kranken nicht gegen Sie persönlich richtet, sondern Ausdruck bzw. Folge der Grundkrankheit ist. Geben Sie dem Patienten Rückmeldungen, die diesem helfen, sein Selbstbild zu verbessern. Seien Sie dabei ehrlich, da der Kranke möglicherweise Ihre Aufrichtigkeit bezweifeln wird.
Zu Aktivität und Bewegung einladen
Stimmung und Verhalten beeinflussen sich gegenseitig. Deshalb hilft es Depressiven oft, überhaupt etwas zu unternehmen (statt sich zurückzuziehen). Der Kranke kann sich dann davon überraschen lassen, dass es wieder bergauf geht.
Denn ähnlich wie Feuer und Wasser sind auch gesunde Aktivität und Depression miteinander eher unvereinbar.
Erläutern Sie dem Kranken diesen Zusammenhang und motivieren Sie ihn, aktiver zu werden und so seine Stimmung zu verbessern. Stellen Sie gemeinsam mit ihm eine möglichst umfangreiche Liste gut zu bewältigender und angenehmer Aktivitäten zusammen (Beispiele: Spazierengehen, Fahrrad fahren, Wohnung aufräumen, im Garten arbeiten, Lesen, Freunde anrufen, sich schön anziehen usw.).
Machen Sie anfänglich mit, wenn Ihnen dies möglich ist.
Weisen Sie den Patienten auch auf die antidepressive Wirkung von sportlicher Bewegung hin.
Offensichtlich setzt Sport im Körper Botenstoffe frei, die entspannen und die Stimmung verbessern. Besonders bewährt haben sich Ausdauersportarten wie Walking (schnelles Gehen), Jogging, Radfahren, Schwimmen usw. Auch hier motivieren Sie den Kranken am ehesten, wenn Sie sich mit ihm gemeinsam bewegen.
hier mehr:
http://www.dr-mueck.de/HM_Depression/HM_Depression_Bezugspersonen.htm
Depression ist eine Krankheit, da hilft alles aufrütteln nicht, wohl aber sich Gedanken zu machen, wie man dazu beitragen kann, die Situation zu verbessern. Manchmal muss man auch klare Worte sagen und wenn es gar nicht geht, einfach gehen.