Schweigepflicht bei Minderjährigen bei Geschlechtskrankheiten? (HIV & co...)

14 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Im Prinzip ist jeder Arzt auch Minderjährigen gegenüber verpflichtet, dessen Belange geheim zu halten. Allerdings muss er zwischen zwei Dingen abwägen: dem Selbstbestimmungsrecht und dem Schutz der Intimsphäre des Jugendlichen auf der einen Seite und der Erziehungs- bzw. Fürsorgepflicht der Eltern auf der anderen Seite.

Welche Ausnahmen er macht, hängt zum einen von der so genannten „Einsichtsfähigkeit" und zum anderen vom Alter der Jugendlichen ab. Patienten, die älter als 15 Jahre sind, wird in der Regel zugetraut, ihre Entscheidungen richtig einzuschätzen. Hat der Arzt aber aus bestimmten Gründen Zweifel an der Einsichtsfähigkeit des Jugendlichen, ist er theoretisch berechtigt, den Eltern alles zu erzählen. Bei jüngeren Patienten darf der Arzt auch ohne bestimmte Gründe die Eltern hinzuziehen.

Die Schweigepflicht des Arztes ist unverletzlich.

Er darf nicht einmal was sagen, wenn Du AIDS hast.

Das hat genau den Sinn, Leute in Deiner Situation zu stärken.

Du kannst (und solltest) zu einem Arzt gehen.

Du brauchst keine Sorge haben, dass Deine Eltern oder jemand anderes etwas erfährt.

nudelsalat94 
Beitragsersteller
 01.01.2011, 08:57

Okay, das beruhigt mich. Macht irgendwie auch Sinn, sonst würden tausende von Leuten in meiner Situation nicht zum Arzt gehen. Wollte nur mal sicher gehen, danke!

Wenn Du HIV+ bei deinem doc getestet wirst, ist er verpflichtet dies dem Gesundheitsamt zu melden - wie schon erwähnt hier!

Dementsprechend wird Deine Krankenkasse auch etwas mitbekommen, da die Abrechnung des Tests beim Doc recht teuer ist. Deine Krankenkasse weiss dann also auch bescheid. Sinnvoller wäre ein anonymer Test gewesen, der zwar auch dem Gesundheitsamt gemeldet wird - aber nicht der Krankenkasse, bei der Du versichert bist.

Sollten weitere Behandlungen notwendig sein (CT, Blutuntersuchungen etc.) wird das über die Kasse abgerechnet!

Da Du noch minderjährig bist, bist Du also familienversichert bei Deinen Eltern!

Rückschlüsse könnte es nun natürlich geben, wenn Deine Eltern nun eine andere Versicherung für Dich abschließen wollen - sprich Berufsunfähigkeitskeitsversicherung, Lebensversicherung etc. - das ist nun leider nicht mehr möglich, wenn das Testergebnis beim Doc positiv war/ist! Also, erst mal das Testergebnis abwarten! Wenn es negativ ist - um so besser! Aber für die Zukunft mache lieber erst einen anonymen Test und renne nicht gleich zu einem Artz! Du verbaust Dir wirklich Vorteile (Abschluss von Versicherungen etc.)!

Wenn der Test positiv ausfällt, werden Deine Eltern über kurz oder lang davon mitbekommen, da Du ggf. auch Medikamente einnehmen musst, die nicht wirklich billig sind!

Also, hoffen wir erst mal auf ein super negatives Ergebnis!

LG aus Berlin

Sven

Gewisse Krankheiten zählen zu den meldepflichtigen, die auch der Arzt melden muß (aber dann entsprechend ans Gesundheitsamt). Syphilis gehört beispielsweise dazu. http://www.gbe-bund.de/oowa921-install/servlet/oowa/aw92/dboowasys921.xwdevkit/xwdinit?gbe.isgbetol/xsstartneu/&paid=i&paid=5646548&nummer=179&psprache=D&pindsp=-&paid=27845373

nudelsalat94 
Beitragsersteller
 01.01.2011, 09:01

kann den link nicht öffnen :/

helrich  01.01.2011, 09:07
@nudelsalat94

Den muß Du komplett kopieren, einschließlich der schwarzen Bestandteile und in Deine Browser-Adresszeile einfügen. Ist leider aufgrund der technischen Gegebenheiten bei GF nicht komplett anklickbar.

Zur Frage wie weit Ärzte verpflichtet sind Auskunft an Eltern zu geben, gibt es immer wieder Fragen und Diskusionen. Um dazu bei zu tragen dieses Thema Eindeutig zu erklären, hier mein Hinweis.

Entscheidend dabei ist die Einsichtsfähigkeit des Jugendlichen. Nicht das Wunschdenken der Eltern.

Und wie man an einigen Antworten (hier auf gutefrage.net) sehen kann haben viele Eltern / Erziehungsberechtigte immer noch die Ansicht: "Wenn du Volljärig bist ...". Oder "Bis 18 bestimmen wir ...".

Das sie damit verstaubte Ansichten haben, die mehr als 10 bis 25 Jahre hinter der Gesetzgebung des Kinder- und Jugendrechts und vieler anderer Bestimmungen, hinterher hinken, ist Schade und traurig.

Aber das ist Deutschland 2011 aktuell.

Die Gesetzgebung und das Bundesverfassungsgericht sagen folgendes dazu:"Die noch vereinzelt vertretene Ansicht, bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen bestehe keine Schweigepflicht gegenüber Eltern bzw. gesetzlichen VertreterInnen oder Schweigepflichtsentbindungen gegenüber Dritten könnten nur von den Eltern erteilt werden (z.B. Berns 1998, S. 412) ist insoweit unzutreffend, als sie pauschal für Minderjährige formuliert wird.

Zwar besteht eine aus dem Erziehungsrecht der Eltern (vgl. Art 6 Grundgesetz, §§ 1626, 1631 Bürgerliches Gesetzbuch) abgeleitete Offenbarungspflicht der schweigepflichtigen Personen im Hinblick auf die ihnen von Minderjährigen anvertrauten Informationen, diese ist jedoch durch das Selbstbestimmungsrecht des Kindes – welches ab dem 14. Lebensjahr einsetzt – begrenzt (vgl. Pulverich 1996, S. 273; BverfG 1982, S. 387 ff).

Da die hierfür notwendige Einsichts- und Urteilsfähigkeit in diesem Alter in der Regel vorliegt, ist die Weitergabe von Informationen und Geheimnissen an Eltern oder dritte Personen nur mit ihrer ausdrücklichen oder konkludenten Einwilligung zulässig. Der verfassungsrechtlich geschützte Informationsanspruch der Eltern (abgeleitet aus Art. 6 Abs. 2 Satz 12 Grundgesetz) tritt hier mit der zunehmenden Fähigkeit des Kindes über die es betreffenden Angelegenheiten selbständig zu bestimmen zurück.

In Ausnahmefällen wird man dies auch für jüngere Kinder annehmen können, wenn durch die Information der Eltern oder eines Elternteils das Kindeswohl gefährdet ist. Dann "(...) kann es im Interesse des Kindes geboten sein, daß der Berater auch den Eltern gegenüber schweigt, um den Heilerfolg nicht zu gefährden und das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Kinde nicht in Frage zu stellen" (BverfG 1982, S. 384)"

Auch ob der Patient überhaupt da war, darf der Arzt nicht sagen..... ;"

Ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse wird in Rechtsprechung(OLG Karlsruhe v. 11.08.2006, 14 U 45/04) und Literatur überwiegend auch schon für den Namen des Patienten sowie für die Tatsache angenommen, dass jemand überhaupt einen Arzt konsultiert hat."

Jeder Arzt, der gegen § 9 BO verstößt, kann vom Berufsgericht zu einer Warnung, einem Verweis, einer Geldbuße bis zu 50.000,-- € sowie der Aberkennung der Mitgliedschaft und des aktiven und passiven Wahlrechts in die Organe der Ärztekammer verurteilt werden.

Ich denke da kann nichts weiter interpretiert werden. Es belegt aber das diese vor mehr als 25 Jahren getroffene Rechtsprechung vielen Eltern bzw. gesetzlichen VertreterInnen nicht bekannt ist. Und das heist sie sind diesbezüglich auf einem Stand von vor ¼ Jahrhundert.