Wieso muss ich lachen, wenn sich jemand verletzt?
Heute war ich mit einem Freund Fahrradfahren. Ein Stock ist in seine Speichen geraten und hat sein Vorderrad verklemmt, sodass er vorne über den Lenker gefallen ist. Dabei hat er sich keine ernsten Verletzungen zugezogen (Leichte Schürfungen) und stand nach ner guten Minute auch wieder. Ich bin ihm auch sofort zu Hilfe geeilt und hab ihn gefragt ob alles in Ordnung, die abgebrochenen Teile des Rades zusammengesucht etc. Aber ich könnte mir das Lachen nicht verkneifen. Wieso? Ich fand die Situation nicht witzig und ebenso wenig den Gedanken er könnte sich verletzt haben. Und dennoch musste ich die ganze Zeit über laut lachen. Er hat es mir zum Glück nicht übel genommen, aber trotzdem war es mir unfassbar unangenehm. Wieso muss ich in so einer unangebrachten Situation lachen?
6 Antworten
Hallo Rekordabsteiger,
Ich erzähle mal ein ähnliches Erlebnis, dass vor langer Zeit passiert ist.
Ein Freund und ich fahren auf einem Moped eine Straße lang, als uns ein PKW aus einer nicht einsehbaren Kurve mit viel zu hoher Geschwindigkeit entgegenkommt. Es beginnt zu schleudern, dreht sich um die eigene Achse, trifft das Vorderrad des Mopeds und schlägt es samt Vorderradgabel vom Moped ab.
Wir sind auf die Straße gestürzt, waren verletzt, was wir aber noch nicht registriert hatten und begannen beide plötzlich wie verrückt zu lachen.
Wir konnten nicht mehr aufhören... dann setzten die Schmerzen ein, aus dem Lachen wurde eher ein irres kichern und jammern... ich habe mir damals genau dieselbe Frage gestellt und bin für mich zu der Erklärung gekommen, dass diese vollkommen hilflose Situation, in der wir nichts tun konnten, um das Ereignis zu verhindern und wir eigentlich das Ende haben kommen sehen, zwei extrem entgegengesetzte Gefühle in uns ausgelöst hat. Innerhalb von Sekundenbruchteilen einen Wechsel von allergrößter Angst zu einer unvorstellbaren Erleichterung zu erleben, erscheint unwirklich, irreal und wir haben eigentlich nicht verstanden, was gerade passiert war.
Und bei uns beiden funktionierte nur noch dieses exzessive, nicht mehr steuerbare Lachen entsprechend der Schockstärke, denn wir waren geschockt, was dann einige Minuten später bei uns beiden zu einem Zusammenbruch geführt hat.
Erklärungsversuch:
In einer lebensbedrohenden Situation werden hohe Mengen an Adrenalin ausgeschüttet, damit maximale Kräfte freigesetzt werden können, um der Gefahr zu entfliehen.
Wenn Flucht wie in unserer Unfallsituation nicht möglich gewesen ist, scheint sich die freigesetzte Überlebens-Energie, die aber nicht abgerufen werden konnte, sich ein Ventil zu suchen und hat sich in unserem Fall in diesem irren Lachen mit größter Intensität und nicht kontrollierbar entladen.
Der Begriff Parathymie und seine Bedeutung scheint nicht passend zu sein, denn dieses unangemessene Lachen soll ein Merkmal für Schizophrenie sein. Ich vermute eher, dass der extrem schnelle Wechsel des Gefühlszustandes das Gehirn überfordert und es zu keiner adäquaten Reaktion fähig ist... das Lachen drückt den Irrsinn der Situation aus und ist in diesem Augenblick durchaus passend.
Grüße, Dalko
Noch ein Nachtrag: Mein Beispiel scheint nicht direkt übertragbar auf deine Situation zu sein, denn du warst nicht direkt betroffen und nur Beobachter.
Das spielt tatsächlich oft keine Rolle, denn die Medizin und Psychologie kennt viele Ereignisse, wo ein Beobachter des Unfallgeschehens zwar sofort helfend eingreift, aber nach kurzer Zeit ebenfalls Anzeichen einer Schockreaktion zeigt.
Das reicht von
- unangemessenen Verhaltensweisen, die erst mit Verzögerung auftreten wie dein unkontrolliertes Lachen
- über Desorientiertheit (Helfer erkennen bei einem Autounfall nicht mehr die Gefahren in der Situation und laufen, nachdem sie geholfen haben, in den fahrenden Verkehr und werden selbst zum Opfer)
- bis hin zu Schockreaktionen mit Schwindel, körperlicher Schwäche mit Kreislaufversagen und müssen selbst ärztlich behandelt werden.
Noch über eine lange Zeit kann ein plötzliches Erinnern und Nachempfinden der Unfallsituation mit intensiven inneren Bildern, (Flashbacks) auftreten, was ich in die Nähe einer PTBS einordne (Posttraumatische Belastungsstörung).
Man muss nicht Soldat sein, um in einer lebensgefährlichen Situation traumatisiert zu werden, das funktioniert auch in abgeschwächter Form in allen plötzlichen, unerwartet auftretenden Situationen mit Erschrecken, Angst und Bedrohung sogar dann, wenn man nur Beobachter ist.
Das führe ich nicht weiter aus, denn fast jeder kennt solche Ereignisse und was sie mit ihm und seiner Gefühlswelt anstellen können.
Es gibt Situationen im Leben, wenn ein anderer Pech hat, dass man dann lachen muss. In diesem Fall kann es sein, dass es lustig aussah und Du deshalb lachen musstet. Gut dass Deinem Freund nichts schlimmes passiert.
Da er Dir das nicht übel genommen hat, ist alles gut.
Vermeiden zu lachen in gewissen Situationen, kann man nicht immer ausschließen und verhindern.
Damit musst Du leben
Sowas passiert manchmal. Vieleicht ein Impuls des Körpers gegen die negativen Gefühle anzukämpfen und so paar Glückshormone auszuschütten.
Ist mir auch schon passiert das ich in einer Situation grinsen musste obwohl ich das überhaupt nicht lustig fand und es mir eigentlich Elend ging
Das ist völlig natürlich, dein Körper versucht eben einfach den Schock zu überwinden.
Ich hatte mal eine Person, die mit ihrem Hintern an eine Wandlampe im Hotel gefallen ist und dann Fleischwunden hatte...
Aber als die Lampe da raus war und der Hintern verbunden fanden wir es doch alle witzig...
Weil das eine Art Schock-/Stressreaktion ist. Man weiß nicht genau was passiert ist, analysiert das Ereignis und hat eine ungewöhnliche Situation. Die Hormone machen den Rest.
Sowas passiert auch bei traurigen Momenten, dass man quasi lachen wollte aber nicht aus Herzhaftigkeit.
Vielleicht kennst du auch weinen vor Freude.
https://www.spektrum.de/frage/warum-weinen-wir-vor-glueck/1257138