Die häufig anzutreffende Furcht vor einer Insulintherapie hat meist zwei Gründe. Einen erwähnen Sie: die Sorge vor Unterzucker. Sie ist insofern nicht völlig unberechtigt, als das hoch wirksame und daher bei Diab. mell. Typ 1 und Typ 2 sehr effektive Insulin bei (unsachgemäßer) Überdosierung (gemessen an der Kohlehydratzufuhr) natürlich ein Hypoglykämierisiko ("Unterzucker") schafft. Freilich ist dieses Risiko sehr gut dadurch beherrschbar, dass man erstens darauf achtet, im Verhältnis zum verabreichten Insulin genug Kohlehydrate aufzunehmen, und dass man für den Fall einer Hypoglykämie zweitens Glukose (Traubenzucker, zB Dextro ENERGEN) mitführt, den man notfalls essen kann. Das löst das Problem, denn die allermeisten Patienten nehmen gut wahr, wenn sie unterzuckert sind. Die Fälle, in denen das anders ist, sind so selten, dass Sie sich hier keine ernsthaften Sorgen machen müssen. Vermutlich nehmen Sie ja auch am Straßenverkehr teil, obwohl dort deutlich mehr Menschen sterben als durch Fehler bei der Insulintherapie.
Zweiter verbreiteter Vorbehalt gegen eine Insulintherapie ist die Verabreichung von Insulin durch Injektion. Insulin kann bis heute nicht oral gegeben, sondern muss injiziert werden. Und den meisten Menschen widerstrebt es (zunächst), sich mehrmals täglich eine Spritze zu geben. Bei näherem Hinsehen ist freilich auch dieser Vorbehalt unbegründet. Erstens sind Insulinspritzen keine Spritzen, wie man sie sonst vom Arzt kennt, sondern sog. Pens, also "Stifte" mit einer winzigen Kanüle, deren Einstich bei Licht besehen weniger schmerzt als ein Mückenstich. Zweitens sind Fehldosierungen so gut wie ausgeschlossen, weil man mit einem Anwahlrad die Zahl der Insulineinheiten wirklich kinderleicht anwählen kann. Drittens schließlich gewöhnen sich alle intensiv eingestellten Diabetiker (die Insulinpens benutzen und keine Insulinpumpen) so unglaublich rasch an ihre Insulininjektionen, dass schon daran deutlich wird, wie wenig Probleme diese schon nach sehr kurzer Zeit bereiten. Und hier scheint ja noch nicht einmal festzustehen, ob Sie wirklich intensiviert eingestellt werden oder ob es nicht bei ein oder zwei Gaben Basalinsulin pro Tag bleiben wird. Das werden Ihr Arzt oder Ihre Ärztin Ihnen erklären.
Vielleicht konnte ja auch ich Sie schon ein wenig überzeugen: Die Gabe von Insulin ist eine hocheffektive Therapie, die Ihnen sehr rasch zu deutlich besseren HbA1c-Werten verhelfen wird. Vor allem ist diese Therapie mit ein wenig Sorgfalt bestens beherrschbar und belastet sie die meisten Patienten schon nach kurzer Zeit auch psychisch nicht nennenswert. Auch Sie werden das hinbekommen!