Orgasmusprobleme nach Venlafaxin-Einnahme?
Seit gestern nehme ich das Medikament Venlafaxin ein. Nun habe ich das Problem, dass ich dadurch keinen Orgasmus mehr bekommen kann. Davor ging alles ganz normal. Leider bin ich auf das Medikament wegen meiner Angststörung angewiesen. Hat jemand Erfahrungen damit und legt sich das Problem mit dem Orgasmus nach einiger Zeit? Bin männlich und 21 Jahre alt
4 Antworten
Venlafaxin ist ein Antidepressivum aus der Gruppe der SNRI welches zur Behandlung von Depressionen und Angststörungen eingesetzt wird. Die Wirkung basiert also u.a. auch auf einer hemmenden Wirkung der Serotonin-Wiederaufnahme. Alle Medikamente mit diesem Wirkmechanismus können zu sexuellen Funktionsstörungen führen. Diese Beginnen in der Regel relativ früh (also von Beginn weg oder ab einer gewissen Dosis) und halten für die Zeitdauer der ganzen Behandlung an. Manachmal sogar noch Wochen oder Monate länger. Gemäss unabhängigen Studien sind 50-70% der männlichen Konsumenten von sexuellen Funktionsstörungen betroffen, manche mehr, manche weniger.
Das Problem ist, dass die angstlösende Wirkung auf die Wiederaufnahme-Hemmung von Serotonin zurück zu führen ist. Serotonin Wiederaufanhme-Hemmer (heute sind es primär SSRI's oder SNRI's) sind die Mittel erster Wahl wenn es um die längerfristige Behandlung von Angststörungen geht. Sie wirken in der Regel relativ zuverlässig und machen nicht abhängig.
Allerdings lässt es sich mit sexuellen Funktionsstörungen nicht gut leben. Denn dagegen tun kann man nichts. Auch Potenzmittel sind diesbezüglich wirkungslos. Sie fördern "lediglich" die Durchblutung des Gliedes, doch das Problem ist nicht die Durchblutung sondern die Tatsache, dass diese Medikamente in den Hirnstoffwechsel eingreiffen.
Wie also vorgehen? Im Prinzip gibt vor allem zwei Fragen:
- Sind die Beschwerden so stark, dass sexuelle Funktionsstörungen zumindest für einige Monate in kauf genommen werden müssen?
- Gibt es Alternativen welche den gleichen Behandlungserfolgt versprechen aber verträglicher sind?
Sexuelle Funktionsstörungen sind häufig Dosisabhängig. In der Akutphase braucht man höhere Dosen als in der Erhaltungsphase. Nach der Akutphase kann die Dosis also reduziert werden. Es besteht die Möglichkeit, dass die sexuellen Funktionsstörungen zurückgehen (wenn auch nicht vollumfänglich verschwinden).
Ansonsten bleibt nur ein Medikamentenwechsel als Option. Eine Alternative wäre beispielsweise Opipramol, ein trizyklisches Antidepressivum welches angstlösend wirkt aber deutlich seltener sexuelle Funktionsstörungen verursacht. Mehr dazu hier. Theoretisch gibt es auch noch eine Behandlungsoption Mittels Pregabalin. Pregabalin ist ein angstlösendes Antiepileptikum das etwas seltener zu sexuellen Funktionsstörungen führt dafür ansonsten eine grosse Liste mit potenziellen Nebenwirkungen aufweist. Mehr dazu hier.
Das hängt vom Verlauf der Erkrankung ab. Antidepressiva unterdrücken im Idealfall die Symptome, doch heilen können sie nicht. Will heissen, dass die Angststörung im Hintergrund bestehen bleibt.
Eine Angststörung kann auf 3 unterschiedliche Weisen verlaufen:
- Einmalige Episode: Mit einer einmaligen Episode ist eine Krankheitsdauer von mehreren Wochen oder Monaten gemeint. Im Anschluss verschwinden die Angstzustände wieder und bleiben weg, auch ohne Medikamente.
- Rezidiviereder Verlauf: Mit einem rezidivierenden Verlauf sind immer wiederkehrende Episoden von Angstsymptomen gemeint. Zwischen diesen Schüben ist die betroffene Person frei von Beschwerden. Wenn man die Medikamente nun weglässt kann dies einige Monate oder gar 3-4 Jahre lang gut gehen. Doch ein Rückfall ist nur eine Frage der Zeit. Folglich nimmt man die Antidepressiva dauerhaft ein um einem erneuten Auftreten der Angstsymptome präventiv vorzubeugen (das nennt sich in der Fachsprache Rezidivprophylaxe).
- Chronischer Verlauf: Die Angstsymptome bleiben bestehen. Wenige Tage oder Wochen nach dem Absetzen der Medikamente treten sie wieder auf.
Deshalb ist eine Psychotherapie unabdingbar. Mit einer Psychotherapie ist eine richtige Psychotherapie gemeint (z.B. Verhaltenstherapie oder Psychoanalyse) und nicht das Gespräch beim Arzt der einfach Medikamente aufschreibt. Nur eine Psychotherapie kann die zugrunde liegenden Ursachen behandeln und eine grundlegende Veränderung bewirken. So besteht die Möglichkeit die Medikamente irgendwann absetzen oder zumindest die Dosis auf ein Minimum reduzieren zu können. Das Problem ist, dass es oft Monate oder gar Jahre intensiver Behandlung benötigt bis eine Psychotherapie wirkt.
Ich persönlich leide seit Jahren unter schweren Panikattacken. Zu Beginn musste ich hohe Dosen eines Antidepressivums (Sertralin) nehmen womit mein Sexualleben klinisch tot war. Ich versuchte das Medikament 2x abzusetzen und hatte 2x einen Totalrückfall. Durch eine längere und intensive Psychotherapie gelang es mir schlussentlich die Dosis auf ein absolutes Minimum zu reduzierenen. Heute nehme ich noch 25mg Sertralin (entspricht ca. 37.5mg Venlafaxin) womit meine Sexualität zumindest zu 90% wieder funktioniert.
Ja, das ist eine sehr häufige Nebenwirkung von Venlafaxin und diversen anderen SSRI/SNRI.
In vielen Fällen lässt diese Nebenwirkung mit der Zeit nach, eine gewisse Beeinträchtigung der sexuellen Funktion bleibt jedoch häufig über die gesamte Einnahmedauer und in seltenen Fällen auch darüber hinaus bestehen.
Im Falle eines Kinderwunsches gibt es jedoch Möglichkeiten, Sperma zu gewinnen, auch wenn eine Ejakulation auf natürlichem Weg nicht mehr funktionieren sollte, beispielsweise mittels transrektaler Elektroejakulation oder direkter Spermienentnahme aus den Hoden, diesbezüglich musst du dir also keine Sorgen machen.
Vielen Dank für die Antwort. Was genau für Beeinträchtigungen ? Kann man den Orgasmus dann gezielt wieder erreichen?
Das ist bei jedem Menschen unterschiedlich, es ist leider nicht vorhersehbar, wie sich diese Nebenwirkung bei dir entwickelt.
Es kann sein, dass nach einiger Zeit alles wieder so "funktioniert" wie zuvor, es kann sein dass du beispielsweise Probleme hast eine Erektion zu bekommen und aufrechtzuerhalten, dass es sehr lange dauert bis du zum Orgasmus kommst, einfach keine Lust hast bzw. mittendrin die Lust verlierst, oder schlimmstenfalls auch, dass Orgasmus und Ejakulation gänzlich ausbleiben und das Sperma eben bei Bedarf anders entnommen werden muss.
Hab etwas Geduld, warte einige Wochen ab, und falls es nicht besser wird und dich dieses Problem sehr belastet, sprich mit deinem Arzt darüber, möglicherweise löst ein anderes Medikament diesbezüglich weniger Nebenwirkungen bei dir aus.
Das ist eine typische Nebenwirkung bei Venlafaxin oder bei anderen Medis, die in den Serotonin-Stoffwechsel eingreifen. Man sagt, dass etwa 40% der Patienten mit diesen Medis sexuelle Funktionsstörungen durch das Medikament haben.
Es ist ein bekanntes Problem bei Antidepressiva, mich wundert aber, dass es schon nach einem Tag auftritt.
Ja, diese Nebenwirkung ist auch bei mir schon in den ersten Tagen der Einnahme (in meinem Fall nicht Venlafaxin sondern Citalopram) sehr stark in Erscheinung getreten, in den ersten Tagen waren Orgasmus und Ejakulation gar nicht möglich, danach wurde es sehr langsam in kleinen Schritten (über Wochen, Monate und Jahre) besser.
legt sich das Problem nach einiger Zeit wieder?
Meistens ja. Orgasmen sind reine kopfsache aber die Lust kann gemindert werden. Wenn es bleibt (nach ca 6wochen noch da ist) dann rede nochmal mit deinem Arzt
Vielen Dank für die Antwort. Eine andere Frage noch: Wenn ich das Medikament irgendwann absetzte, ist die Chance hoch, dass meine Ängste wegbleiben?