Entscheidend ist die Vermeidung von Fehlbelastungen (z. B. stundenlanges gebeugtes Sitzen). Nicht grundsätzlich jede Sportart ist für Scheuermann-Patienten geeignet. Sportarten, bei denen die Wirbelsäule erheblichen Kompressions- und Torsions-Belastungen durch Stöße, Sprünge, Schläge, Stürze usw. ausgesetzt sind (Kampfsportarten, Hallen-Ballsportarten, Geräte- und Bodenturnen, Radfahren in Rennradhaltung, Laufsportarten auf harten Böden mit ungenügender Dämpfung, usw.) können die Beschwerden verstärken. Geeignet sind Kraftsport (ohne stemmende und drückende Belastungen), Schwimmen, Gymnastik, Walking, usw. Es ist darauf zu achten, dass keine inklinierenden, die Kyphose verstärkenden Übungen (z. B. Rudern) durchgeführt werden. Therapeutisches Ziel ist die Reklination, Aufrichtung und Streckung, Dehnung verkürzter und in den Rundrücken hinein ziehender Strukturen und Muskelketten, die Kräftigung der statischen autochthonen Muskulatur und Training einer aufrechteren Haltung. Die effizienteste physiotherapeutische Methode zur Autoreklination (Selbstaufrichtung der Brustwirbelsäule) ist die atemtherapeutische Krankengymnastik nach Katharina Schroth. Bei teilfixierten Kyphosen mit einem Cobb-Winkel über 50°, bei denen die Autoreklination nicht möglich ist, kann eine reklinierende Rumpf-Orthese (aufrichtendes Korsett) gute Erfolge zeigen, wenn das Korsett den Kyphosewinkel als Primärkorrektur mindestens 40 % korrigiert und das Korsett mit ausreichender Compliance zusammen mit intensiver Krankengymnastik mindestens 20 Stunden pro Tag getragen wird. Auch bei erwachsenen Schmerzpatienten kann eine stark reklinierende Orthese schnelle Schmerzlinderung und eine deutliche Haltungsverbesserung bewirken. Geeignete Reklinations-Orthesen sind z. B. die Münsteraner-Kyphose-Orthese nach Dr. Cheneau, die Tübinger-Kyphose-Orthese nach Prof. Dr. Zielke und Nusser, die Balgrist-Kyphose-Orthese nach Dr. Böni (Uniklinik Zürich) oder die Anti-Kyphose-Orthese nach Rahmouni. Korsette und Orthesen sind nur dann therapeutisch wirksam, wenn sie mindestens 50 % des Cobb-Winkels korrigieren, der über die Normvariante als Fehlstatik der Wirbelsäule hinausgeht: Beispiel:
Normvariante BWS-Kyphosewinkel 15 bis 25 Jahre etwa 30° Cobb
Patient ohne Korsett: 70° Cobb.
Patient im Korsett: 50° Cobb. = 50 % Korrektur
Patient im Korsett: 30°Cobb = 100 % Korrektur
Patient im Korsett: 20° Cobb = 10° Überkorrektur (siehe: http://www.morbus-scheuermann-info.de/diagnose.htm)
Info zum Cobb-Winkel:
Der COBB-Winkel (engl. COBB's angle) ist ein Maß für die Stärke einer Krümmung. Er beschreibt den Winkel zwischen den beiden am stärksten zueinander gekippten Wirbeln ober- und unterhalb eines Bogens (Neutralwirbel).
Die Messung erfolgt auf einer Wirbelsäulenröntgenganzaufnahme von vorne bzw. hinten (anterior-posterior, ap / posterior-anterior, pa) in entspannter Haltung im Stand. Zur Messung werden an den Neutralwirbeln entweder an der Grundplatte, der Deckplatte oder den Pedikeln (den "Augen" der Wirbelkörper) Parallelen angelegt, welche sich entsprechend verlängert schneiden und den COBB-Winkel bilden. Bei kleineren Krümmungen treffen sich diese Geraden jedoch erst außerhalb des Röntgenbildes, weshalb der COBB-Winkel hier nur indirekt ermittelt werden kann. Hierzu werden auf den Geraden im 90-Grad-Winkel Senkrechten aufgetragen, deren Schnittpunkte dann ebenfalls den gewünschten Winkel bilden.
Einfacher geht es, wenn man direkt die Neigung der beiden Geraden mit einem Neigungsmesser oder auf digitalen Röntgenbildern mit einem Grafikprogramm (z.B. GIMP, gratis erhältlich) bestimmt. Die Summe der beiden Winkel-Beträge ergibt dann den Cobb-Winkel.
Der Messfehler bei wiederholten Messungen lag in unterschiedlichen Studien bei 1,5 und 4,9 Grad. Der COBB-Winkel unterliegt auch Tagesschwankungen. Im Durchschnitt ist er bei mittel- bis höhergradigen Skoliosen abends 5 Grad größer als morgens. Aus diesem Grund sollte möglichst immer zur gleichen Tageszeit geröntgt werden.