Ist Physiotherapeut ein sehr stressiger Beruf?
- Wie genau sieht der Alltag eines Physiotherapeuten aus?
- Hat er Zeitdruck?
- Welche Leistungen werden bezahlt? (Auch Vorbereitungszeit und Berichte bzw. Pläne schreiben oder nur die Arbeit am Menschen?) Gibt es viele organisatorischen aufwände die nicht bezahlt werden?
- Gibt es auch die Möglichkeit draußen zu arbeiten bei manchen therapien oder als Trainer?
- macht der beruf spaß?
Ich hoffe ihr könnt mir helfen eine bessere Vorstellung vom Berufsbild zu bekommen. Gerne könnt ihr mir eure persönliche meinung schreiben
3 Antworten
Das arbeiten als Physiotherapeutin kann in sehr unterschiedlichen Bereichen und Einrichtungen stattfinden. Daher unterscheidet sich das Stresslevel auch enorm. Als sehr stressig empfinde ich die immer häufiger werdende Praxis im 20 min. Rhythmus zu arbeiten. Alle 20 min. ein neuer Patient, eine neue Geschichte, ein neues Problem...und nur sehr wenig Zeit es zu besprechen, zu bearbeiten und vielleicht noch eine Hausübung mitzugeben. Wer einen gewissen Anspruch an seine Arbeit mitbringt wird hier sehr gefordert. Im ungünstigsten Falle findet dies in nicht abgeschlossenen Räumen statt. D.h. du hörst noch 2 oder 3 andere Stimmen von Therapeuten, deren Ansagen, Gesprächen oder eben Patienten erzählen. Wenn man das 5-6h macht entsteht bei einigermaßen sensiblen Menschen ganz natürlich Stress. Bist du jedoch in einer psychologischen Rehaeinrichtung in der man als Physiotherapeut z.B. Gruppen für Autogenes Training oder Therapien im Wasser macht ist das Stresslevel sicher ein anderes. Es kommt eben auf deine Persönlichkeit an. Ein sehr extrovertierter Therapeut findet es sicher anregend schnelle Patientenwechsel zu haben und mitzubekommen was um ihn herum los ist. Ein introvertierter Therapeut braucht hingegen Ruhe und möchte sich Zeit nehmen das Problem gründlich zu besprechen, alles zu erfahren, viel zu testen und dann möglichst viel Zeit haben den Pat. zu behandeln. Ein weiterer Punkt zum Thema Stress als Physiotherapeut ist die Bodenlosigkeit der medizinischen Probleme. Zu etwa 50% ist die Sachlage klar und für den Therapeuten sind die zu machenden Schritte schnell abrufbar. Gerade als Berufsanfänger ist es aber schwer und durchaus stressig die Maßnahmen abzuschätzen. Die Ausbildung gibt ein Fundament...das Haus aus Erfahrung muss man sich in harter Kleinarbeit durch Fortbildungen und eigene Recherchen erarbeiten. Und selbst dann bleibt vieles unklar. Wir arbeiten mit Menschen, nicht mit Maschinen. Eine immerwiederkehrende Blockierung, ein Fersensporn oder ständige Rückenschmerzen haben oft Ursachen die nicht überschaubar sind für Physiotherapeuten. Der Mensch ist ein Gebilde aus Körper, Seele und Geist. Alles ist untrennbar miteinander verbunden. Hier eine klare Ursache und eine klare Behandlung finden zu wollen kann enormen Stress für einen engagierten Therapeuten bedeuten. Manchmal funktionieren Techniken, manchmal nicht. Ich empfinde es als stressig keine gute Antwort oder Thearpie zu finden für die 50% der Patienten bei denen nicht ganz klar ein Unterschenkelbruch oder ein gerissener m. supraspinatus vorliegt. Einen weiteren Stresspunkt kann das viele Reden bedeuten. Als Physiotherapeut bist du ständig mit einem Menschen beschäftigt. Menschen kommunizieren, auch wenn sie nichts sagen. Häufig haben Patienten aber großes Redebedürfnis und es können einem schon mal die Ohren bluten. Das ist Stress wenn man sich nicht davon abgrenzt. Auch man selbst redet sicher weit mehr als z.B. ein Steuerberater. Patienten wollen aufgeklärt werden, nam gibt Bewegungsaufträge, korrigiert und redet eben auch über ganz normale Alltagsdinge und die großen und kleinen Sorgen der Patienten. Das kann teilweise sehr angenehm sein und ich habe schon tolle Gespräche während einer Lymphdrainage geführt. Aber nicht jeder Mensch ist dir sympatisch und wenn der dann eine Stunde Lymphdrainage bekommt sehe ich es als Teil meines Jobs an auch etwas mit ihm zu reden. Wenn es zufällig der 3. unangenehme Pat. an diesem Tag ist und du auch nicht deinen top-Tag hast, ist das Stress. Von außen mag der Job also sehr friedfertig und stressfrei aussehen, er ist aber, wie jeder soziale Beruf anstrengend. Dafür bekomme ich jeden Tag mehrmal ein ehrliches Danke für meine Arbeit. Meine Engagement wird direkt nutzbar und macht mich und Patienten zufrieden. Ich kann so oft durch Aufklärung und Fachwissen Ängste nehmen und Mut und Zuversicht bei Patienten erzeugen. Es macht Spaß einen jungen Skater nach seinem Kreuzbandriss wieder fit zu machen. Anfangs humpelt er auf Stützen in die Praxis...2-3 Monate später springt er einbeinig auf weichen Unterlagen oder dem Trampolin. Mir schütteln junge Männer um die 30 mit Rückenschmerzen nach der Therapie die Hände als wäre ich ihr Doktor. Bei allem Stress, gibts auch schöne Momente. Ich finde es steht 50:50 in der Physiotherapie.
Also der Zeitdruck ist enorm. Der ganze Beruf ist extrem anstrengend, viel unbezahlte Zeit die du opfern musst. Z.B. du wird ab 7 Uhr eigentlich bezahlt (wenn pat. nicht abgesagt hat und du dann nicht bezahlt wirst oder ein minuskonto schreiben musst), das wiederum bedeutet, dass der Patient um 7 Uhr in die Kabine gebracht werden will und die Behandlung anfängt.
Die Kabine herrichten, die Praxis lüften, die Handtücher oder Arbeitsmaterial herrichten, die Karteikarte raussuchen, dich über den Patienten informieren usw. geschieht alles in deiner Freizeit, d.h. du musst entsprechend früher zur Arbeit erscheinen. Alles unbezahlt und ohne Ausgleich. Und das nur am Morgen bei Arbeitsbeginn.
Wenn man allein das mal auf einen Monat zusammenrechnet kommt einiges zusammen + die sonstige Zeit die du unbezahlt opfern darfst.
Oder z.B. für einen Hausbesuch bekommt man 15 Min. Zeit für hin und rückfahrt, d.h. für eine Strecke von Beendigung der einen Behandlung und beginn der nächsten Behandlung in fremden Haus hast du 7,5 Minuten Zeit incl. Fahrt und Parkplatzsuche. Das das nicht machbar ist interessiert niemand. Alles was du länger brauchst kommst du mit den nächsten Behandlungen wieder in der Praxis in Verzug und dann arbeitest du kostenlos in deine Mittagspause rein oder durch, und das gleiche am Feierabend. Das ist echt Stress. Aber bitte immer recht freundlich bleiben und dich immer schön beim nächsten Patienten entschuldigen. Was für eine Ironie.
Die Theorie und der Arbeitsalltag sind wirklich zwei paar Stiefel.
Hallo Musikfreundin!
Zu Deinen Fragen - im Wesentlichen behandelst Du für einen festen Zeitraum, z.B. 1 Stunde, einen Patienten - meistens ein stark geregelter Tagesablauf mit festen Zeiten - die nicht bezahlten Leistungen sind eher wenig und beschränken sich wirklich auf 5 Min Vorbereitung pro Patient - Du müsstest vlt. ein Bisschen suchen, aber es gibt auch Therapien/ Übungen im Freien... - Ob das Spaß machst, musst Du selbst wissen, aber letztendlich hilfst Du ja Menschen und heilst sie, ist also an sich eine schöne Sache! :D
Danke für deine Antwort. Was wird alles nicht bezahlt?
Ist das bezahlte Arbeitszeit:
- Teamsitzung
- Arztberichte
- Dokumentation (Akten)
- Telefonate (Termine)
- Therapievorbereitungen
- Aufräumen und Putzen der Praxis
Zählt das alles in die 5 Minuten pro Patient? Wie viel bekommt man denn so durchschnittlich Brutto pro Std. bezahlt?