Wäre eine Behandlung mit Ritalin bei meinem Sohn eine gute Idee?

3 Antworten

Es ist eine Idee. Ob es eine gute Idee ist, ist Ansichtssache. Dass die Meinung der Psychotherapeuten dabei nicht so eindeutig ist, hast du wohl mitgekriegt. Es ist vor allem auch eine Frage wem nützt es und wem schadet es.

Kein Medikament zu geben ist für die Familie belastend. Das Ruhigstellen durch Medikamente beeinträchtigt möglicherweise die Entwicklung des Kindes.

Die Diagnose Autist wird partiell stygmatisierend interpretiert. In modernerer Darstellung spricht man von Autismusspektrum, da die Grenzen zwischen den verschiedenen Formen fließend sind. Um mit den Reaktionen eines Menschen mit diesem Störungsbild sinnvoll umgehen zu können, ist ein Verständis für dessen Wahrnehmungsmöglichkeiten hilfreich.

Die beobachteten Wutausbruche können möglicherweise als Zeichen einer Reizüberflutung oder als Dilemma bei der Entscheidungsfindung bei der Bewältigung einer Aufgabe interpretiert werden, obwohl die Aufgabe eigentlich zu bewältigen wäre. Dies wurde explizit von dir dargestellt. Wutausbrüche sind üblicherweise typische Kennzeichen des Autismus und nicht des Aspergersyndroms, das insbesondere durch keinen sprachlichen Entwicklungsrückstand und normale Intelligenz (manchmal auch Inselbegabung) gekennzeichnet ist.

Gemeinsam sind den beiden Formen Auffälligkeiten in der psychomotorischen Entwicklung, der sozialen Interaktion, in der Wahrnehmung und der Verarbeitung von Umweltreizen festzustellen.

Marina37615 
Beitragsersteller
 05.12.2021, 10:07

Danke. Dass er Reizüberflutungsprobleme hat, hatte uns der Psychiater davor auch gesagt. Er selber verdrängt auch, dass er Autismus hat(hat er mir selbst schon gesagt). Weil er schon mal solche Medikamente nehmen musste, bin ich mir auch sehr unsicher ob man ihm das nochmal ,,antun" soll.

Littlethought  05.12.2021, 10:21
@Marina37615

Die körperliche Unversehrtheit der Schwester hat prinzipiell Vorrang. Die Beleidigungen sind als Ausdruck seiner Störung hinnehmbar. Dies kann man einer 14-jährigen durchaus begreiflich machen. Hier gelten die gleichen Güterabwägungen wie in der Welt der Erwachsenen. Sonst kann es geschehen, dass die Schwester wegen der körperlichen Attacken nicht mehr nach Hause kommen möchte.

Marina37615 
Beitragsersteller
 05.12.2021, 18:57
@Littlethought

Ansich könnte ich den Psychiater mal danach fragen. Eigentlich würde ich ihm solche Medikamente nur geben, wenn es wirklich keine andere Möglichkeit gibt.

ST4RSCRE4M  05.12.2021, 00:12

Kennst du den Film mit Ben Affleck "The Accountent" aufjedenfall musste ich an eine Szene denken, als ich deins las.. Da is ein Kind ausgerastet, weil ein Puzzle Teil gefehlt hat - und dann kam ein anderes Kind, wortlos und gab ihm das fehlende Puzzle Teil - dann war Ruhe. Es war zwar ein Action Film, hat mich aber trotzdem sehr nachdenklich gemacht.

Grund Geschichte: Zwei Brüder werden vom Vater allein aufgezogen und militärisch Unterricht - und der eine war halt autist und der Vater wusste sich nicht anders zu helfen. Ich will ja nicht spoilern.

Littlethought  05.12.2021, 00:19
@ST4RSCRE4M

Ich kenne den Film nicht. Aber die Liste der Fehlbehandlung von Kindern, die die Erwartungshaltung der Erwachsenen nicht erfüllen ist lang. Das einfachste und möglicherweise früher häufigste Beispiel ist die Strafe wegen schlechten Schreibens für ein Kind das nicht richtig sehen kann. Tragisch dabei ist, dass die tatsächliche Grausamkeit des Verhaltens von den Erwachsenen eigentlich nicht beabsichtigt war.

ST4RSCRE4M  05.12.2021, 01:09
@Littlethought

Kannst du mir grob erklären wo das Problem bei Legasthenie ist? Hab mich diesbezüglich mal mit einem fast geprügelt.. Ums kurz zu machen: ich hatte Verständnis bei seiner "Krankheit", aber null Verständnis für die Tatsache: er hatte den Name eines Gruppen Mitglieds 2 mal falsch geschrieben.. Yve.. Und die zweite Variante waren komplett andere Buchstaben oder sogar Name (so genau weiß ich nicht es nicht mehr, aber ich weiß noch das ich das kritisiert hatte.

Ein "beschissener" Name mit 3!! Buchstaben. Ich hätte nie erwartet das die daraus gleich 2 verschiedene Namen machen (können)

Littlethought  05.12.2021, 01:28
@ST4RSCRE4M

Legasthenie hat offensichtlich etwas mit der Wahrnehmungsfähigkeit zu tun. Allerdings nicht im rein optischen Sinne sondern bei der Verarbeitung des Netzhautbildes zu einem kleinem Neuronennetzwerk im Lesezentrum des Gehirns. Ich selbst habe nur bei einem einzigen Schüler mit dieser diagnostizierten Schwäche dies auf Grund seiner abgelieferten Arbeiten bestätigen können. Es gab ganz typische Schreibfehler (Verdopplungen, Vertauschungen, usw.). Das von dir Geschilderte erscheint mir zwar auch seltsam aber nicht unmöglich. Allein aus dieser Beschreibung läßt sich aber nichts Entsprechendes ableiten.

Am Rande: Das Rechnen mit Zahlen findet im Sprachzentrum statt. Die sogenannte Dyskalkulie ist deshalb eine Schwäche des Sprachzentrums. Mit mathematischen Fähigkeiten hat dies nichts zu tun.

michi57319  05.12.2021, 00:02

Hervorragend! Danke 👍

Zum einen: Medikamente einem Kind ohne ärztliche Meinung zu geben wäre grob fahrlässig. Damit kannst du deinem Kind körperliche und psychische, langfristige Schäden zufügen. Bitte bitte mach das nicht.

Als zweiten Punkt. Ritalin stellt dein Kind nur kurz ruhig und das mit fiesen Nebenwirkungen. Am besten mal googlen. Sobald du es absetzt wird es meist genau so oder schlimmer als vorher.

https://www.netdoktor.de/medikamente/ritalin/

Bitte stell dir folgende Situation vor: Du bist überfordert, um dich herum passiert alles auf einmal. Viel zu viel und viel zu schnell. Das macht dich frustiert und wütend. Jetzt nimmst du diese Tablette. Du bist hellwach, kannst alles auf einmal wahrnehmen und verarbeiten. Für 30 Minuten. Danach bist du den Rest des Tages fix und fertig. Es war super anstrengend alles auf einmal wahrzunehmen, aber in den 30 Minuten konntest du dich gut konzentrieren.

Was ist mit dem Rest des Tages? Du kriegst vom Umfeld nur noch die Hälfte mit, hast vielleicht auch Probleme in der Schule zu folgen oder überhaupt etwas zu fühlen.

Das ist nur eine mögliche Reaktion auf dieses Medikament.

Das schränkt die Lebensqualität von deinem Kind enorm ein. Ich verstehe, dass es aktuell eure Lebensqualität einschränkt. Das ist nicht nur anstrengend, das sorgt einen als Elternteil sehr.

Dein Kind ist in der Pubertät und hatte die letzten Jahre nicht immer die Chance zu lernen mit der eigenen Diagnose klar zukommen. Dadurch hast du jetzt zwei Stresspunkte auf einmal.

Wenn es dich überfordert (was absolut nachvollziehbar ist) hol dir Meinungen von Fachärzten ein. Jetzt hat dein Kind die letzte Chance zu lernen wie man mit der Krankheit umgehen kann, bevor es Erwachsen wird. Bitte lass es nicht wieder ruhig stellen. Es gibt auch andere Lösungen.

In den nächsten Jahren wird es sicher besser, vor allem wenn die Pubertät durch ist. Ansonsten, wie gesagt, bitte Fachärzte fragen. Du möchtest dein Kind nicht lebenslang psychisch überfordern, nur weil irgendein Mensch mit Halbwissen den falschen Tipp gegeben hat.

Ich wünsche dir viel Geduld, alles Gute und hoffe dass es bald besser wird.

Marina37615 
Beitragsersteller
 05.12.2021, 10:17

Danke. Wir haben auch Angst, dass er in der Schule durch diese Probleme die Noten abrutschen. Die Lehrer schreiben mir teilweise schon Mails wegen den Hausaufgaben. In der Schule ist er, mittlerweile auch eher unbeliebt weil ,,nervig" und ,,anstrengend". Die Diagnose wird von ihm verdrängt.

Gestern, hat er gesagt er würde zu seiner Grundschulfreundin wieder Kontakt wollen, deswegen. Ich glaub aber, dass sie mittlerweile vielleicht nicht mehr auf einer Wellenlänge wären.

Bei den Medikamenten tendiere ich eigentlich auch eher zu Nein.

Saraa921  06.12.2021, 02:58
@Marina37615

Vielen Dank für deine Antwort. Es freut mich, dass du dich so sehr versuchst mit dem Thema auseinander zu setzen. Und ich bin mir sicher ihr schafft das.

Wenn man mal ein Jahr sitzen bleibt ist das kein Weltuntergang, manchmal kann eine neue Klasse sogar helfen und neue Freunde bringen. Aber die Sorgen sind natürlich berechtigt.

Wenn es nicht mehr geht hilft sicher auch der Kontakt zu einem oder zwei Ärzten. Nicht jeder Arzt hat den gleichen Ansatz. Und/Oder evtl gibt es eine Möglichkeit für ihn Freunde mit ähnlichen Schwierigkeiten oder für dich Eltern mit den gleichen Herausforderungen zu finden?

Liebe Grüße

Marina37615 
Beitragsersteller
 06.12.2021, 17:35
@Saraa921

Danke. Ansich kenne ich nicht so viele andere Eltern mit autistischen Kindern so wirklich. Bei meinem Sohn auf der Schule sind aber 2 autistische Jungen, die sind aber schon in der 9. Und 10. Klasse.

Bei ihm hab ich auch die Befürchtung, dass er von den meisten Leuten nicht gemocht wird, weil er etwas anders ist. Seine Mitschüler fühlen sich davon genervt wenn er von seinen Interessen redet. Ich selber würde mir das auch wünschen, dass er Freunde findet.

Depri.. Kann ich nachvollziehen. Ritalin ist eigentlich für normale Menschen sowas wie Amphetamin. Und als ehemaliger Konsument kann ich die Wirkung nachvollziehen und erst recht die Nebenwirkungen. Wenns nachlässt, spürst du eine innerliche leere. Du bist jetzt nicht traurig und heulst rum - aber dich erfreut nix. Keine Emotionen nix. Für dich ist jeder Tag gleich trostlos.

Ich würde von der scheiße generell abraten. ADHS... Alles "Krankheiten" die erfunden wurden, für teilweise Kinder die halt anders sind bzw einen Weg gefunden haben um mit der Welt klar zu kommen.