Hypoxischer Hirnschaden, wirklich keine Hoffnung?
Liebe Leser,
ich bin so hilflos und suche dringend Rat. Meine Mama (67 Jahre alt) hatte vor 10 Tagen eine Lungenembolie und infolge dessen einen Herzstillstand. Sie wurde dann 50 Minuten reanimiert. Ihre Lunge und auch ihr Herz haben sich ganz gut erholt. Alles arbeitet eigenständig. Sie atmet auch alleine. Allerdings ist sie bisher nicht aufgewacht. Nach 5 Tagen wurde dann ein CT (das Bild ist nur grau, keine Gehirnwendungen zu sehen)gemacht mit der für die Ärzte der Station eindeutigen Diagnose: Hypoxischer Hirnschaden, keine Hoffnung auf einen günstigen Ausgang. Uns wurde auch gesagt, dass das Gehirn angeschwollen sei und sich nicht definieren lässt was genau beschädigt ist. Sie liegt momentan auf einer kardiologischen Intensivstation. Uns wird nur gesagt, dass sie sicher nicht mehr aufwachen wird und es jetzt nur noch darum geht, was sie gewollt hätte. Ich habe die letzten Tage einiges darüber gelesen und verstehe es da immer so, dass Folgeschäden natürlich sehr wahrscheinlich sind, sich aber jetzt noch keine 100 % Diagnose treffen lässt. Verstehe ich das so falsch? Lässt sich das denn jetzt wirklich schon so sicher sagen? Wäre es nicht erstmal sinnvoll zu warten bis die Schwellung zurückgegangen ist? Wie kann es denn sein, dass ihr Körper so eigenständig arbeitet und es trotzdem keine Hoffnung gibt? Ich wäre über fachliches Wissen, Ratschläge, Erfahrungsberichte usw. sehr dankbar. Ich habe so wahnsinnig große Angst und will sie nicht verlieren!!
3 Antworten
So traurig es ist, aber vermutlich ist durch zu langen Sauerstoffmangel das Gehirn irreparabel geschädigt. Den Rückgang der Schwellung würde ich auch noch abwarten, aber wenn auf dem CT praktisch nichts zu sehen ist, besteht wenig Hoffnung. Eien ganz kleine Hoffnungschimmer gibt es, da sie ja eigenständig atmet und die Atmung wird aus einer Gehirnregion gesteuert (im Gegnsatz zum herz, das arbeitet ohne Befehle vom Gehirn!), daher muß ein Teil des Gehirns jedenfalls arbeiten.
Guten Abend, ich möchte Ihnen mal etwas Mut machen. Mein Bruder, 59 Jahre alt, hatte am 2. Februar 2016 vor einer geplanten Rücken-Op bei Narkoseeinleitung eine Lungenembolie. Er wurde 65 Minuten reanimiert. Dabei wurden ihm sämtliche Rippen und das Brustbein gebrochen. Die Rippen haben ihm wiederum die Lunge verletzt, sodass die Lunge zusammen gefallen ist. Er wurde dann ins künstliche Koma versetzt. Nach zwei Wochen wurde ein Luftröhrenschnitt gemacht. Es entwickelte sich dann eine Lungenentzündung. Dann lagerte sich sehr viel Wasser in seinem Körper ein. Nach zwei Wochen Koma ließen sie ihn aufwachen. Er reagierte so gut wie nicht. Es wurde auch ein CT vom Kopf gemacht. Darauf waren auch keine Hirnwindungen zu sehen, praktisch eine Masse. Dann wurde eine PEG gelegt, weil er sich die Nasensonde immer rausgezogen hat. Nach dreieinhalb Wochen wurde er in die neurologische Frühreha verlegt. Von da an wurde er wacher. Nach drei Wochen bekam er eine Sepsis. Er hatte ca. zwei Liter Wasser im Pleuraraum und wieder oder immer noch eine Lungenentzündung. Wurde wieder für drei Tage ins Koma gelegt und auf die Herz-Thorax-Intensivstation verlegt. Nach 16 Tage wieder in die neurologische Frühreha. Er hat dann wahnsinnige Fortschritte gemacht. Er konnte nichts mehr. Weder schlucken, sprechen oder laufen. Zumal bekommt er schon seit März Morphium wegen seinen Rückenschmerzen. Er ist seit fast drei Wochen in einer neurologischen Reha. Er läuft einwandfrei. Er spricht mit uns ganz klar. Er versteht uns zu 100%. Natürlich fällt ihm das eine oder andere Wort nicht ein, ist aber nicht schlimm. Er hat auch noch immer eine Amnesie. Das Kurzzeitgedächtnis ist auch noch nicht fit. Aber es würde keiner merken, dass er so krank War und auch noch ist, wenn man sich mit ihm unterhält. Er macht alle paar Tage Fortschritte und kann sich jetzt auch an manche Sachen von früher erinnern. Auch muss er natürlich lernen, was er mit bestimmten Gegenständen machen kann, aber es wird immer besser. Wir haben unterschiedliche Meinungen von Ärzten erhalten. Von es wird nicht mehr, bis es wird wieder alles gut. Wir sind sehr optimistisch und auch mein Bruder freut sich, dass er überhaupt noch lebt. Er weiß, dass er noch viel lernen muss, er will aber auch wieder gesund werden. Es kann bis zu drei Jahren dauern, bis er vollkommen gesund ist. Wenn man bedenkt, was er in fünf Monaten alles gelernt hat, obwohl er zweimal im Koma lag, hat er wahnsinnige Fortschritte gemacht. Wir haben auch von Anfang an viel mit ihm gesprochen und ihn berührt. Ich hoffe, Ihnen ein wenig Mut gemacht zu haben und wünsche Ihnen und Ihrer Mutter alles Gute.
Vielen lieben Dank! Auch wenn ich weiß, dass es naiv wäre aus Ihrer Geschichte für meine Mama Hoffnung zu schöpfen, tut es einfach gut zu hören, dass es auch gute Geschichten in so schrecklichen Situationen gibt. Und dafür danke ich Ihnen.
Ich weiß einfach nicht, was wir tun sollen. Darf ich fragen wie es zustande gekommen ist, dass Ihr Bruder Frühreha bekommen hat? Uns wird gesagt, dass es dafür ein Potenzial geben muss, sonst ist das Ganze sinnlos. Und das sieht bei ihr nun keiner.
Seit nun gut einer Woche bekommt sie dauerhaft Morphium. Seitdem habe ich das Gefühl, dass sie "noch abwesender" ist. Für einfach jeden gibt es nur den Weg der Palliativmedizin. Aber man kann doch nicht einfach so schnell aufgeben. Es ist doch erst 5 Wochen her. War die Palliativmedizin eine Option für Ihren Bruder?
Wie konnten sie trotz all der Tiefschläge weiterkämpfen?
Guten Abend,
erstmal wünsche ich dir ganz viel Kraft. Es ist keine leichte Situation, in welche du dich befindest. Ich bin seit 8 Jahren in der Pflege und betreue seither auch eine Dame, welche einen Schlaganfall hatte und nun seit 9 Jahren mit dieser Diagnose lebt. Auch die Bewohnerin, welche ich pflege, wurde lange reanimiert. Wach ist sie nicht. Eine genaue Einschätzung kann ich nun nicht wirklich geben. Nur von meinen Erfahrungen sprechen.
50 Minuten sind sehr lang. Mit hoher Wahrscheinlichkeit können die Ärzte schon die Diagnose treffen. Ansonsten würden sie dir nicht nahe legen, dir darüber Gedanken zu machen, was deine Mutter gewollt hätte. Was natürlich eine sehr schwere Frage ist.
Ich habe nun 8 Jahre den Verlauf der Dame beobachten können. Dies hat mich persönlich zu dem Entschluss gebracht, dass ich selbst niemals künstlich ernährt werden möchte. Ich muss dazu sagen, dass die Bewohnerin einen sehr hohen neurologischen Bedarf hat, mit einer sehr hohen Muskelanspannung. Diese lassen sich medikatös etwas mildern. Jedoch nicht gut. Mittlerweile hat sie Kontrakturen in sämtlichen Gelenke, so dass man sie nicht mal mehr in einem Stuhl setzen kann. Dies hatte sie zuvor eine Stunde geschafft. 15 Minuten länger und sie hätte eine Druckstelle.
Dies ist ein kurzer Einblick, welchen ich dir geben könnte. Sicherlich gibt es da noch etliche andere Beispiele und Erfahrungen. Ich hoffe, ich konnte dir ein bisschen helfen.
Liebe Grüße
Hallo Bresiana,
vielen Dank für deine Antworten. Leider ist meine Mama dann im Juli gestorben. Mit meiner Hoffnung stand ich in meiner Familie und auch unter den Ärzten ziemlich alleine da und niemand sah irgendwie einen Anlass es überhaupt mit Frühreha bzw. Physio zu beginnen. Es wurde dann die Ernährung und, um alles zu beschleunigen, die Flüssigkeitszufuhr abgestellt. Das Morphium hat sie bekommen gegen die Schmerzen. Es wurde zwar immer gesagt, dass sie überhaupt nichts mitbekommt bzw. spüren kann, aber das wohl dann doch noch.
Ich weiß, dass meine Mama alles dafür getan hätte, dass wir nie so etwas erleben und entscheiden müssen. Auch ist es klar, dass sie nie lange in diesem Zustand hätte sein wollen. Dennoch denke ich schon, dass sie es wert gewesen wäre, länger gemeinsam zu kämpfen.
Ich wünsche dir, deinem Bruder und deiner ganzen Familie nur das Beste und vor allem viel Gesundheit.
Hallo DollySchnecke,
also mein Bruder hat auch einen hypoxischen Hirnschaden. Dabei ist das Hirn, im Gegensatz zu einem Schlaganfall ganz betroffen. Es sind sehr viele Hirnzellen abgestorben. Aber es werden täglich neue gebildet und die müssen sich erst miteinander verknüpfen. Deshalb kann die Genesungszeit bis zu drei Jahren gehen. Frühreha kommt erst in Frage, wenn sie wach ist. Bekommt sie Physiotherapie, das wäre auch sehr wichtig. Und bekommt sie denn noch Narkosemittel? Wenn sie selbstständig atmet, könnte man dies ausleiten. Es ist eine sehr schwere Zeit, auch für die Angehörigen. Fünf Wochen sind wirklich noch keine Zeit, um das beurteilen zu können. Warum bekommt sie Morphium? Das beeinflusst natürlich auch die Genesung und macht abhängig. Nochmal alles Gute für Sie und Ihre Mutter. Liebe Grüße und viel Kraft.