Wie distanziert / persönlich darf ein Arzt sein?
Hallo! Da ich dieses Jahr mit einem Medizinstudium anfangen werde, mache ich mir viele Gedanken über das Berufsbild des Arztes. Ich persönlich möchte Arzt werden, weil ich mein Leben in den Dienst anderer stellen will und weil ich fasziniert davon bin, wie Wissenschaft und Forschung das Leben der Menschen verbessern kann. Ich möchte dem Kranken Trost zusprechen und träume davon kranke Herzen durch Gesunde austauschen zu können. Wenn andere Leute das für idealistisches Gutmenschgelaber halten, soll's mir recht sein.
Viele Menschen (auch Medizinstudenten) sprechen davon, dass ein Arzt distanziert sein muss, um die Professionalität zu wahren. Als Patient hatte ich aber immer den Eindruck, dass distanzierte Ärzte teilnahmslos und gleichgültig rüberkamen. Ich könnte nur Vertrauen zu einem Arzt aufbauen, wenn er kein Problem damit hatte, mit mir auf persönlicher Basis zu sprechen und Mitgefühl ausstrahlte.
Wäre ich als Arzt unprofessionell, wenn ich einem Patienten aus Mitgefühl mal die Hand auf den Arm lege oder muss ich eher distanziert sein?
33 Antworten
Bleib Du selbst und bleib Mensch!
Unprofessionell sind für mein Empfinden eher diese Weißkittel, die hocherhobenen Hauptes, an den Menschen vorüber wehen, die einen Arzt nötig haben!
Wäre ich als Arzt unprofessionell, wenn ich einem Patienten aus Mitgefühl mal die Hand auf den Arm lege oder muss ich eher distanziert sein?
niemals!!!
Alles Gute für Dich und Deine zukünftigen Patienten ;-)
Distanziert bedeutet nicht , dass ein Arzt kein Mitgefühl zeigen darf. Ich bin zwar kein Arzt, dafür Therapeut und kenne das Problem mit dem richtigen Abstand zum Patienten nur zu gut. Es ist sogar Pflicht für den Arzt, dem Patienten aufmerksam und mitfühlend zuzuhören, und wenn die Situation es erfordert, kann auch eine mitfühlende Geste angebracht sein. Allzu freundschaftlich zu sein wäre ein Fehler, denn es erzeugt eventuell falsche Vorstellungen beim Patienten. Ich habe mit psychisch kranken Menschen gearbeitet, wenn man da die gebotene Distanz nicht wahrt, kann man in Teufels Küche kommen. Das kann einem Arzt auch passieren, wenn sich die Patientin plötzlich "Hoffnungen" macht. Also höflich aber distanziert bleiben, das verhindert auch, dass amn die Probleme der Patienten mit nach Hause nimmt.
Hey, danke für die Antwort. Was meinst du denn genau mit falschen Vorstellungen und Hoffnungen?
Wie du schon richtig sagst ist es genau die Balance die zählt. Ein guter Arzt weiß genau wann er nähe zeigen darf und wann er Professionalität wahren muss.
Auch wenn du als Patient gerne einen Arzt hättest der Mitgefühl zeigt, heißt das nicht, dass alle Patienten das möchten. Du wirst auch Patienten haben die dir dass als Schwäche oder Unprofessionalität auslegen werden. Zumal das Hand auf die Schulter legen ein Eindringen in die Intimsphäre des Patienten ist. Das wichtigste ist erstmal, dass der Patient das Gefühlt hat dass er in guten Händen ist und dass du als Arzt weißt was du tust. Du wirst dafür ein Gefühl entwickeln müssen.
Darüberhinaus wirst du als Arzt oft mit harten Schicksalen konfrontiert und wenn du dich auf menschlicher Ebene zu sehr darauf einlässt dann springst du nach 20 Jahren von der Brücke. Der Patient wird sich Zeit nehmen können um eine schlechte Nachricht zu verarbeiten, du als Arzt darfst dich von deinen Gefühlen nicht beeinflussen lassen. Das heißt im Extremfall, raus 5 min durchatmen, Tränen wegwischen und dann warten die anderen Patienten, die von dir erwarten, dass du immer noch 100% funktionierst.
Die Distanz ist hier ein Selbstschutz, die wirst oft sehen dass junge Ärzte sich einfühlsamer zeigen, während ältere distanzierter wirken. Auf Dauer muss man eben lernen sich vor starken Emotionen zu schützen oder man kriegt selbst emotionale Probleme. Wusstest du dass Psychiater eine doppelt so hohe Selbstmordrate haben wie ihre Patienten?
Was ich dir damit sagen will ist, das es keinen Goldstandard gibt nachdem du dich richten kannst und ich finde es gut, dass du dich schon vor dem Medizinstudium mit dem Thema auseinandersetzen möchtest.
Jeder Patient ist anders und jeder Patient erwartet etwas anders von dir, du wirst mit zunehmender Erfahrung lernen wie, du damit umgehst und wie du mit Patienten interagieren kannst.
Mach dir deshalb keine Sorgen, die Universitäten nehmen das Thema heutzutage ernst und du wirst Seminare oder Vorlesungen in unterschiedlichen Form haben, die sich mit dem Thema auseinander setzen.
LG Max
Auch wenn du als Patient gerne einen Arzt hättest der Mitgefühl zeigt, heißt das nicht, dass alle Patienten das möchten. Du wirst auch Patienten haben die dir dass als Schwäche oder Unprofessionalität auslegen werden. Zumal das Hand auf die Schulter legen ein Eindringen in die Intimsphäre des Patienten ist.
Sehr gut auf den Punkt gebracht! Genau so ist es im (Arzt)Alltag.
Jeder Patient ist anders und jeder Patient erwartet etwas anders von dir, du wirst mit zunehmender Erfahrung lernen wie, du damit umgehst und wie du mit Patienten interagieren kannst
So ist es.
Und dem jungen Fragesteller möchte man empfehlen:
Immer wenn du dir im Umgang oder der Einschätzung eines Patienten nicht sicher bist -was hoffentlich(!) am Anfang häufig vorkommt- dann wende dich an einen erfahrenen Kollegen und besprich das mit dem, so oft du kannst. Du musst dessen Ansicht ja nicht unbedingt immer teilen, aber es gibt dir wahrscheinlich gute Hinweise und "Rückspiegelung", an denen du lernen kannst.
Und ältere / erfahrenere Kollegen sind nicht notwendigerweise distanziert(er) oder oberflächlicher, sondern haben häufig ein gutes Gespür für die Patienten entwickelt, und im Gespräch mit solchen kann man auch bemerken, ob bzw. wie weit die das reflektieren (daß das nicht immer und bei jedem funktioniert, ist wohl selbstverständlich).
Viel Erfolg!
Danke! Der Vergleich ist in dem Artikel aber zwischen Medizinern und Menschen anderer Berufsgruppen und nicht zwischen Psychiater und Patient, was mich dann doch etwas beruhigt ;-)
Die Behauptung hatte ich auch nicht aus diesem Artikel sondern aus einem Spiel wo es um unnützes wissen geht. Ich hab nur auf die schnelle keine andere Quelle gefunden
Alles klar!
Mit der Zeit wird sich deine Bereitschaft zur freundschaftlichen Geste von ganz allein verringern, deshalb ist ein kurzes Berühren an Rücken oder Arm zum Trost noch keine allzu große Herausforderung. Nach vielen Jahren sehe ich, dass der Abstand doch oft recht groß geworden ist ( Erlebe das Arzt-Patienten Verhältnis aus berufl Gründen täglich mit.)
Besonders traurig stimmt mich an viele Türen folgendes Schild: Aus hygienischen Gründen kein Händedruck. Man muss ja als Patient ein schlechtes Gewissen haben, wenn eine körperliche Untersuchung ansteht :-(( Hygiene hin oder her, überall macht sowas Sinn, doch in der Arztpraxis????
Anhand der Hand :-)) kann man die Körpertemperatur und die Kraft des Patienten prüfen. Auch die psychische Verfassung......Neeee innerlich nicht gleich adoptieren, aber gerne auch mal streicheln, oder?
Professionell ist meiner Meinung nach der Arzt, der sehr wohl unterscheiden kann, ob die Situation die aufgelegte tröstende, aufmunternde oder unterstreichende Hand erfordert. Die Motivation, die du beschreibst ist sicher lobenswert und menschlich. Führt aber unter Umständen bei zu geringer Distanz zum Patienten dazu, dass du die einzelnen Schiksale mit nach Hause nimmst. Das wiederum schadet dir, deinem sozialen Umfeld und über die Wechselwirkungen auf deine Psyche auch den Patienten. Wünsche dir viel Erfolg!
Doppelt so hohe Selbstmordrate, echt? Gibt es da eine Quelle?