Ablauf des Medizinstudiums bei der Bundeswehr?

5 Antworten

Nur als kurzer Zusatz zu meinen Vorrednern:

- Soweit ich weiß hat die BW keine Herzchirurgie d.h. die brauchen auch keine Herzchirurgen. Es gibt bei der BW auch keine Gynäkologen oder Kinderärzte.

- Ärzte mit Kindern werden bevorzugt nicht in den Einsatz geschickt

- ALLE Ärzte müssen in den Einsatz, egal welche Fachrichtung.

jaycaff 
Beitragsersteller
 06.03.2017, 22:27

wie ist das gemeint "Ärzte mit Kindern werden bevorzugt nicht in den Einsatz geschickt"?

Hallo,

ich habe bei der Bundeswehr Zahnmedizin studiert und 18 Jahre lang als Zahnarzt und Kieferchirurg gedient.

Verpflichtungszeit:
Wenn Sie sich derzeit für 17 Jahre verpflichten müssen, um bei der Bw Medizin zu studieren, dann sind es 17 Jahre - nicht mehr und nicht weniger. Die Angaben, die Sie in Ihrer Dienstzeitfestsetzung unterzeichnen, gelten. Auch die Facharztausbildung ist hier inkludiert und wird selbstverständlich nicht aufgerechnet, keine Sorge.

Facharztausbildung:
Natürlich werden Sie wählen, welche Fachrichtung Sie einschlagen möchten. Allerdings müssen Sie sich im Klaren darüber sein, dass es für jede Disziplin nur ein begrenztes Kontingent an verfügbaren Stellen gibt. So sind auch manche Disziplinen begehrter als andere und einige Disziplinen sind bei der Bw häufiger vorgesehen als andere. Ein Beispiel: es gibt naturgemäß ein großes Kontingent für Unfallchirurgen, dafür aber beispielsweise ein kleines, was etwa Rheumatologen oder dergleichen mehr anbelangt.
Wenn Sie eine Fachrichtung wählen, die umkämpft ist, müssen Sie im Studium entsprechende Leistungen vorweisen können. Leistung, Eignung, Befähigung - das sind die Zaubertermini.

Verfügung:
Es stimmt: die Bw wird Sie dort einsetzen, wo Sie gebraucht werden. Je nach Fachrichtung variiert auch Ihre Stehzeit pro Standort. Manche Kollegen verbleiben ein Jahrzehnt an ein und demselben Standort, andere werden alle vier Jahre versetzt, um möglichst viel Neues kennenzulernen und das Know-How zu diversifizieren.
Auch Auslandseinsätze sind für Bw-Mediziner ein Thema - damit müssten Sie sich abfinden. Sie sind stets in allererster Linie Soldat.

Finanzielles:
Die Bw kommt für alle Kosten auf, die Ihre Studien und Ausbildungen verursachen. Sie bekommen vom ersten Tag an eine Besoldung gemäß Ihres jeweiligen Dienstgrades. Wir beschreiten als Mediziner die Laufbahnen der Offiziere und Stabsoffiziere.

Familie:
Während Ihres Studiums quasi unmöglich, im Anschluss je nach Fachrichtung zumindest schwierig. Natürlich wird Ihre personalbearbeitende Stelle immer versuchen, Ihren Familienstand bei Kommandierungen und ähnlichem zu berücksichtigen, aber wenn Sie gebraucht werden, werden Sie gebraucht. Ganz einfach. Später werden Sie lernen, Ihr Privatleben neben dem Dienst zu arrangieren, aber das erfordert sehr viel Verständnis vom Partner. Meine Frau konnte beruflich bedingt immer mit mir mitziehen, wenn ich versetzt wurde, aber das kann freilich nicht jeder.

Als meine erste Tochter geboren wurde, befand ich mich gerade im Kosovo - Sie können sich vorstellen, wie das für uns was. Mit einer weniger starken Frau an meiner Seite wären wir gnadenlos gescheitert.

Wie erfolgreich Sie Ihre Familienplanung als Soldat umsetzen können, ist von vielen Faktoren abhängig. Aber die Bw ist definitiv kein Katalysator von Freizeit, wenn man als Arzt an einem BwK dient. Es kommt aber immer darauf an, wie man so schön sagt.

DrMauke  06.03.2017, 19:50

Da gebe ich Ihnen auf jeden Fall recht: Zahnmedizin ist bei Weitem kein derart kritisches Berufsfeld wie etwa (weil Sie es explizit ansprachen) Herzchirurgie. Bei Letzterem geht es nicht selten um Leben und Tod, bei uns dafür meist eher um Schmerztherapie, konservierende Leistungen, Kieferorthopädie oder Kosmetisches. Was man als "spannend" empfindet, obliegt natürlich jedem selbst. Wenn ich mich an meine ersten Eingriffe zurückerinnere, muss ich aber ganz klar gestehen, dass mir auch der Schweiß auf der Stirn stand. Eine Unachtsamkeit und aus einem erhaltungswürdigen Zahn wird einer, der nur noch extrahiert werden kann, weil man etwa die Wurzel bricht oder ähnliches - da gibt es Unzähliges, das man falsch machen kann, ebenso wie in anderen chirurgischen Fachrichtungen auch.

Ich kann gern kurz umreißen, was man als Zahnmediziner bei der Bw so macht:
Grundlegend arbeiten Sie entweder an einer Liegenschaft als Standortzahnarzt (mit einer Praxis, die an einen Sanitätskomplex angeschlossen ist, ganz ähnlich einem zivilen Zahnarzt) oder eben im Bundeswehrkrankenhaus.
Die Dynamik ist dabei wie folgt:
Ein jeder aktiver Soldat der Bundeswehr ist nicht wie ein Zivilist über eine Krankenkasse krankenversichert, sondern bezieht sämtliche medizinischen Leistungen (natürlich kostenfrei) von der Bundeswehr. Daraus folgt, dass man sich, wenn man gesundheitliche Beschwerden jedweder Art erlebt, bei einem Arzt der Bundeswehr einzufinden hat. Dabei gibt es natürlich ein paar Ausnahmen: sind Sie etwa nicht verlegungsfähig, suchen Sie einen zivilen Arzt ganz in Ihrer Nähe auf, sofern dieser für Sie bequemer zu erreichen ist, oder rufen ggf. den Rettungsdienst. Das bezahlt dann selbstredend auch die Bw, dient in dem Fall quasi als Krankenversicherung. Aber zurück zum Normalfall:

Angenommen, ein Soldat bekommt Zahnweh. Dann meldet er sich zeitnah bei seiner Einheit zahnkrank und bekommt einen Termin beim nächsten erreichbaren Bw-Zahnarzt. Meistens sitzt dieser direkt an einer Kaserne, ist der Soldat zum Zeitpunkt bspw. des Schmerzeintritts aber daheim und hat ein Bundeswehrkrankenhaus in unmittelbarer Nähe, dann findet er sich eben dort ein.
Hier erfolgt dann eine klassische zahnmedizinische Versorgung, ganz genau so, wie Sie es vom zivilen Zahnarzt kennen. Als Kieferchirurg habe ich die meiste Zeit lang an Bundeswehrkrankenhäusern behandelt, weil hier entsprechende OP- und Aufwachräume verfügbar sind.

Die Ausbildung und die Vorgehensweisen unterscheiden sich kaum vom Zivilen, mit der Ausnahme, dass wir bei der Bw stets fortgebildet wurden, um auch neueste Techniken zu erlernen und entsprechend zu praktizieren.
Im Feldlager praktiziert man in behelfsmäßigen OP-Containern, mit minimal abgespeckter Einrichtung, die aber dennoch alle notwendigen Behandlungsmöglichkeiten bietet.

Man staunt, wie weitläufig die Zahnmedizin dabei ausfällt. Insbesondere die Kieferchirurgie. Korrektureingriffe für Kieferfehlstellungen beispielsweise sind eine spannende Angelegenheit, die viel Präzision und Verständnis der kompletten Kieferapparatur erfordern.

Die Chirurgie, auf die Sie anspielen, kennt sehr viele grundlegende Fachrichtungen mit ganz unterschiedlichen Reichweiten. Hier geht es aber eben auch oft "um die Wurst", etwa bei Herz- und Unfallchirurgie. Das sind enorme personelle und persönliche Belastungen, denen man da als Behandler ausgesetzt ist. In der Zahnmedizin geht es definitiv ruhiger zu.
Zu Beginn meines Allgemeinmedizinstudiums schwebte mir die Pneumologie vor, während eines Praktikums am BwK Koblenz hat mich dann aber die Zahnmedizin gepackt. Ich hab's nie bereut. ;-)

Ich bin nun allerdings schon seit vielen Jahren niedergelassener Zahnarzt und Kieferchirurg im Zivilen. Ich habe zwar noch Kontakt zu Kameraden, die nach wie vor bei der Bw praktizieren, viel scheint sich aber auch da (abgesehen von den Veränderungen im Fachgebiet) nicht verändert zu haben.

DrMauke  07.03.2017, 01:48

Und Sie waren nicht in der Lage, sich Leben und Studium von Ihrem Ausbildungsgeld (das sich am Dienstgrad nach BesO bemisst) zu finanzieren? Soll das ein Witz sein? Wenn man halbwegs auf dem Teppich bleibt, lebt man selbst nach Abzug aller Gebühren noch großzügig. Ich tat dies zumindest im Vergleich zu meinen Zivilen Kommilitonen. Alle Mittel, die ich brauchte und nutze, stammten zu meiner Zeit von der Bundeswehr. Damit waren sämtliche Kosten getragen. Es braucht keine Approbation, um diese Aussage zu verstehen.

19Sunny96  06.03.2017, 22:19

Zu Finanzielles: Wie haben Sie denn Sämtliches bezahlt bekommen? Ich persönlich habe lediglich mein Ausbildungsgeld (was übrigens eben kein Sold ist) bekommen. Davon muss ich dann alle Kosten selbst tragen die durchs Studium entstehen. Also wird einem eben bei weitem nicht alles bezahlt, was mit dem Studium zu tun hat. Wenn Sie das geschafft haben würde mich wirklich mal interessieren wie.

jaycaff 
Beitragsersteller
 06.03.2017, 19:17

ich bedanke mich ganz herzlich bei Ihnen für Ihre Antwort, sie waren mir eine große Hilfe! Es freut mich natürlich, dass Sie so eine starke Frau haben und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg! Zahnmedizin war bei mir auch schon immer die Alternative zu Chirurgie, allerdings habe ich den Beruf als Zahnarzt, also Zahnmediziner nie wirklich als spannend empfunden im Gegensatz zur Chirurgie (berichtigen Sie mich bitte, falls ich eine komplett falsche Vorstellung von dem Beruf habe!) Allerdings hat man als Zahnarzt nicht den Druck und die Belastbarkeit wie bei einem Chirurgen und man hat nach der BW-Zeit feste Arbeitszeiten als ein Chirurg, der sehr flexibel sein muss. Wenn sie mein Kommemtar lesen würde ich mich gerne freuen, wenn Sie Erfahrungen (als Zahnarzt bei der BW) schildern würden! Es muss jetzt kein Roman sein, aber zumindest Punkte, die für mich wichtig und interessant sein könnten. Ich habe vor noch vor meinem Abitur meine Ferien zu nutzen um Praktika absolvieren zu können um anschließend eine bessere Vorstellungen von den jeweiligen medizinischen Berufen erlangen zu können. Ich danke Ihnen dennoch vielmals für Ihre Antwort! :)

Eins vorweg, ich bin weder Mediziner (habe aber einen sehr viele Mediziner im engeren Freundeskreis) noch bei der BW, aber eigentlich sollte die folgende Antwort nicht zu viel Unsinn enthalten ;)

1) Nur bedingt. Wenn die BW gerade dringend z.B. Augenärzte braucht, dann musst du eben Augenarzt machen. Grundsätzlich gibt es wohl ein Punktesystem während des Studiums (z.B. für gute Noten und freiwillige Praktika) und je besser man dort abschneidet, umso größer ist deine Chance auf freie Wahl später

2) Während der Facharztausbildung arbeitest du auch als ziviler Arzt bereits ganz normal in der Klinik und verdienst dementsprechend auch. Bei der BW wirst du auch - wie schon im Studium - deinem Rang entsprechend bezahlt

2.1) Soweit ich weiß nicht

Zur letzten Frage: Wenn die Bundeswehr dich in Afghanistan brauchst, dann kommst du auch dahin. Da kannst du dann auch nicht sagen, "jetzt ist gerade schlecht, ich hab doch ein kleines Kind". Inwiefern Ärzte mit Familie bevorzugt daheim bleiben dürfen, weiß ich nicht

jaycaff 
Beitragsersteller
 06.03.2017, 17:00

dankeee!!!

Die Bundeswehr ist kein Verein für zivil gescheiterte Medizinbewerber. Man sucht Sanitäsoffiziere und nicht bloß Ärzte. Der Ansporn das nur zu tun, weil du aus einer nicht so reichen Familie kommst ist absolut schwachsinnig. Es gibt unzählige Medizinstudenten denen es mit Verlaub genauso geht. Man ist dann einfach auf Bafög und einen Minijob angewiesen.

1) Klar kann man Mutter werden. Vielleicht sollte man erstmal sein Studium erfolgreich abschließen bevor man an sowas denkt, aber jedem das seine. Ich habe eine Kameradin die erst kürzlich Mutter geworden ist. Die Bundeswehr ist generell sehr familiengerecht. Man muss sich aber eben damit abfinden, dass es möglich ist, dass man häufiger mal deutschlandweit umzieht. Auch Auslandseinsätze gehören eben dazu. Mit Ausnahme dieser beiden Tatsachen ist die Bundeswehr allerdings sehr familienfreundlich und unterstützt stark finanziell.

2) Studienkosten werden selbstverständlich nicht übernommen. Wieso sollte es auch? Sie bekommen von Anfang an 1.700€ netto. Da noch IRGENDWAS zu verlangen würde an Unverschämtheit grenzen. Man kann schon ganz schön luxuriös leben im Vergleich zu seinen Kommilitonen.

Ja, wenn Sie einen Facharzt machen wollen, wird (zumindest ein Teil dieser) Zeit nachgedient.

Überdenken Sie vorab aber mal Ihre Einstellung und Motivation.

Wenn du kein Soldat und vor allem Offizier sein möchtest, bewirb dich nicht.