Freund- Feuerwehr (Trauma)?
Ich wurde vor einigen Wochen zum ersten Mal mit etwas konfrontiert, mit dem ich schwer zu kämpfen hatte. Mein Freund und ich sind jetzt seit einiger Zeit zusammen. Er arbeitet beim Rettungsdienst bzw. bei der Feuerwehr und hat schon so einiges gesehen. An besagtem Tag kam er völlig aufgelöst nach Hause. Offenbar hat ihn ein Einsatz sehr mitgenommen.
Ich habe meinen Freund in der Zeit nicht einmal weinen sehen und an diesem Tag ging es ihm dann richtig schlecht und er ist in Tränen ausgebrochen. Ich wusste zuerst gar nicht wie ich damit umgehen sollte. Er weint ja sonst nie vor mir. Habe ihn dann umarmt. Nach einer Weile wollte er aber lieber allein sein. Ich hatte fast das Gefühl seine Tränen sind ihm peinlich. Gleichzeitig wollte ich als seine Freundin natürlich für ihn da sein. Normalerweise ist mein Freund immer der Starke, der mich tröstet, wenn es mir schlecht geht. Er ist der typische Mann, der nach außen immer den Starken spielt und im wahrsten Sinne des Wortes eher andere "rettet".
Die Situation kam für mich jedenfalls völlig unerwartet. Männer sieht man ja eher selten weinen.
In den folgenden Wochen hat er sich dann immer mehr zurück gezogen. Ein Gespräch über den Vorfall war nur teilweise möglich und wenn ist er gleich in Tränen ausgebrochen oder er hat nach einiger Zeit ganz vermieden über das Thema zu reden.
Von seinen Kameraden bzw. Kollegen hab ich dann erfahren, dass es wohl mit einem schlimmen Einsatz zusammen hängt. Er wirkt seitdem wie verändert. Nachts hat er Alpträume und tagsüber ist er angespannt. ich als seine Freundin mache mir natürlich Sorgen darüber. Der Freund meiner besten Freundin ist als Soldat nach Afghanistan gegangen und als er wiederkam hat er wohl ähnlich reagiert. Und er hat eine PTSD, eine posttraumatische Belastungsstörung. Habe mich darüber lang mit meiner besten Freundin unterhalten.
Kann es sein, dass mein Freund durch den Einsatz auch ein Trauma entwickelt hat? Wie gesagt. Ist es sehr schwer mit ihm darüber zu reden. Ihn zu einem Psychologen zu schleppen scheint beinahe unmöglich. Er meint immer "den Psychokram bräuchte er nicht." Und ich komme was das Thema angeht überhaupt nicht an ihn heran. Er wirkt in letzter Zeit wie versteinert und irgendwie sehr verändert. Ist müde, unkonzentriert, schläft schlecht. Wie kann ich ihm als seine Freundin helfen?
9 Antworten
Zuerst mal: Es kommt vor, dass man im Feuerwehr-/Rettungsdiensteinsatz auf belastende Ereignisse trifft. Das ist (irgendwie) normal. Da kann auch dazugehören, dass man sich danach irgendwo ausweint.
Normalerweise ist mein Freund immer der Starke, der mich tröstet, wenn es mir schlecht geht. Er ist der typische Mann, der nach außen immer den Starken spielt und im wahrsten Sinne des Wortes eher andere "rettet".
Dann ist er einer in der gefährdeteren Gruppe, weil er u.U. eigene Schwächen nicht gerne zugibt. Das scheint ja im Moment so zu sein. Dabei wäre es überhaupt keine Schande, zu sagen, dass man mit einem Ereignis bei einem Einsatz zu kämpfen hat, das kann jeden treffen.
Normalerweise wird man über einen unschönen Einsatz sprechen, vor allem unter Kollegen. Das muss sein, und kann auch etliche Tage dauern. Nach hause trägt man sowas nicht gerne. Wenn dein Freund dir davon nicht erzählt, dann auch weil er dich schützen will.
In den folgenden Wochen hat er sich dann immer mehr zurück gezogen. Ein Gespräch über den Vorfall war nur teilweise möglich und wenn ist er gleich in Tränen ausgebrochen oder er hat nach einiger Zeit ganz vermieden über das Thema zu reden. [...] Er wirkt seitdem wie verändert. Nachts hat er Alpträume und tagsüber ist er angespannt. [...] Er wirkt in letzter Zeit wie versteinert und irgendwie sehr verändert. Ist müde, unkonzentriert, schläft schlecht.
Und hier fangen die Alarmglocken an zu schrillen. Wenn sowas mal eine Woche dauert, oder auch sogar zwei, dann ist das noch im Rahmen. Wenn es aber länger so geht, dann stimmt etwas ganz und gar nicht!
Kann es sein, dass mein Freund durch den Einsatz auch ein Trauma entwickelt hat?
Ja, das ist möglich!
Ich würde folgendes Vorgehen empfehlen, bzw. würde ich folgendermaßen vorgehen:
- Sprich nochmal mit ihm. Sag ihm, dass du dir Sorgen machst. Bitte ihn, mit den Kollegen darüber zu sprechen, und auch seine Dienststellenleitung zu informieren, dass er ein Problem hat. Wenn er ein psychisches Problem entwickelt hat, das aus einem Einsatz resultiert, ist das für ihn ein Dienstunfall, das heißt, dafür kommt die Unfallkasse der Arbeitsstelle auf. Mach ihm klar, dass du spürst/merkst, dass er sich anders verhält als vorher. Natürlich solltest du dabei so einfühlsam wie möglich sein...
- Wenn er sich auch dann noch nicht helfen lässt, versuch Kontakt zu Kollegen aufzunehmen, bzw. zu seinem Chef aufzunehmen. Sag denen, dass du dir Sorgen machst. Vielleicht kann das bestätigt werden. Mittlerweile gibt es eigentlich überall Personen/Einheiten (PSNV, KIT, Einsatznachsorge, etc.) , die für sowas zuständig sind, die würden dann den Kontakt zu deinem Freund suchen. Ja, sowas hinter seinem Rücken einzufädeln ist heikel, aber einfach weitermachen kannst du ja auch nicht.
Leicht wird die Sache ganz sicher nicht. Und ich sage dir es auch ganz ehrlich: Es wäre nicht die erste Beziehung, die an sowas zerbricht...
Mir ist da noch eine Idee gekommen: Vielleicht kannst du in Erfahrung bringen, wer in deiner Gegend für solche Sachen qualifiziert ist. (Kriseninterventionsteam, Einsatznachsorge, psychosoziale Notfallversorgung, Notfallseelsorge, Peer) Das müssen nicht die Leute sein, die für deinen Freund "zuständig" wären. Mit denjenigen kannst du ja vielleicht auch ganz unverbindlich mal darüber sprechen/telefonieren, was dein Problem ist. Diese Leute können dir u.U. auch sagen, wie du genau weitermachen solltest.
Danke. Die Idee ist ziemlich gut. Denn damit hole ich mir ja in erster Linie einen Rat ein und es geht nicht nur um ihn. Vielen lieben Dank. Der Tipp ist Gold wert. Da bin ich noch gar nicht drauf gekommen.
Sowas kann prinzipiell sein. Vielleicht ist es aber auch nur genereller Stress. Ich bin kein Psychologe und selbst wenn ich einer wäre, könnte ich keine Ferndiagnose aus so wenigen Informationen ableiten. Gibt es vielleicht Verwandte (Eltern, Geschwister, etc.), die ihn gut kennen und Dir helfen könnten, die Situation einzuschätzen?
Mit denen redet er ja auch nicht darüber ;( Alle fragen mich nur immer: "Was ist denn mit T. los? Der ist ja ganz anders? Habt ihr Probleme?" Und dann kann ich immer nur sagen: "Nein, da ist alles in Ordnung." Er hat mich schon ganz böse angeschaut, als ich zum antworten ansetzen wollte, dass er Stress mit der Arbeit hat. Hab es dann gelassen. Er hat mir zu verstehen gegeben, dass er nicht will, dass seine Familie von dem Einsatz weiß
Er hat mir zu verstehen gegeben, dass er nicht will, dass seine Familie von dem Einsatz weiß
Das ist verständlich. Und das zeigt auch, dass es etwas ist, was ihn so sehr mitgenommen hat, das er dich/euch nicht auch noch damit belasten möchte. "Ist schlimm genug wenn einer darunter leidet" oder so ähnlich sind da die Gedankengänge.
Ja, das stimmt wohl ;(
Vielleicht braucht er einfach ein wenig Zeit, das Gesehene zu verarbeiten.
Ich hoffe, dass es nur so eine "Phase" ist. Nur es geht jetzt schon seit Mitte Dezember so.... Er hat nachts ganz schlimme Alpträume und ist jedes Mal klatschnass :(
Es wird auf jeden Fall nicht einfach sein alleine damit fertig zu werden. Es gibt bei der Feuerwehr einen Seelsorger. Das ist ein Kamerad von ihm. Er soll mit ihm mal darüber sprechen. Weißt du denn was genau passiert ist? Wohnungsbrand mit Toten, Verkehrsunfall mit Unfalltoten?
Ich weiß. Nur wenn ich das auch nur ansatzweise anspreche kommt immer der Standardspruch. "Den Psychokram brauche ich nicht. Früher haben sie auch Feuer gelöscht, ohne diesen Quatsch." Klar ist es unvernünftig von ihm. Nur ich kann ihn ja auch nicht zwingen :/
"Den Psychokram brauche ich nicht. Früher haben sie auch Feuer gelöscht, ohne diesen Quatsch."
Um es plakativ auszudrücken: Früher haben sich dann halt auch mehr Leute aufgeknüpft!
Nein, es ist nicht schön das zu hören. Aber eine unbehandelte PTBS kann in dieser Richtung tödlich verlaufen!
Ich schätze meinen Freund zwar nicht so ein, dass er sich an der nächsten Ecke aufhängt. Aber ich weiß was du meinst. Und das sind auch meine Sorgen. Denn ausgeschlossen ist ja nicht, dass er ähnliches noch einmal erlebt. Seine Einsätze gehen ja weiter
Hast fu nicht vielleichst selbst die Möglichkeit mit dem Seelsorger zu sprechen (vielleicht kennst du ihn ja) und frag ihn dann einfach mal, ob er nicht bei einer Übung oder so unauffällig deinen Freund auf diesen Einsatz ansprechen kann.
Brauchten die damals nicht... stimmt... gab´s auch nicht weil damals keiner soweit gedacht hat.
Geschichte damals in der Grundausbildung von einem Ausbilder:
Verkehrsunfall, Autobrand, Person eingeklemmt und verbrannt.
Gruppenführer ruft seiner Mannschaft, nachdem der PKW gelöscht ist: "Jungs. bringt den Kartoffelsalat, der ist durch!" (Presse und Schaulustige standen daneben,,,,)
Damals hat man das alles überspielt und verdrängt aber nicht verarbeitet.
Mittlerweile ist man zum Glück schon weiter.
Hi!
So was ähnliches kenn ich auch.... Damals, ich war so Anfang 20, haben wir bei Nachlöscharbeiten (freiwillige Feuerwehr) eine komplett verkohlte / verbrannte Leiche gefunden.
Es ging dann so weiter, dass wir beide (Kamerad und ich) erst mal ins Fahrzeug gesessen sind und kurz geredet haben. Danach wurden wir aber voll beim aufräumen eingesetzt und nach Ende des Einsatzes saßen wir noch im Gerätehaus ne gute Stunde zusammen. Damals war dann an dieser Stelle Ende mit der Aufbereitung. Der Vorteil daran, dass wir gleich wieder eingebunden wurde war auf jeden Fall, dass wir nicht groß nachdenken konnten.
Das Ergebnis war: 6 Monate nur mit Licht geschlafen, jedes mal im dunkeln hatte ich die Bilder vor mir. Nach den 6 Monaten war ich dann so weit, dass die Bilder immer noch "abrufbar" sind aber mir nichts mehr ausmachen. Zwischenzeitlich sah ich Fotos von der Leiche (Schulung eines Brandermittlers) und das komische Gefühl war kurzeitig wieder da.
Heutzutage wäre der Notfallselsorger nur einen Anruf weit entfernt. Auch wenn er das nicht will... (mit Kirche oder Seelsorge möchte ich eigentlich auch nicht viel zu tun haben...) darüber reden hätte mir in dieser Situation gut getan. Diese Rolle übernahm meine damalige Freundin. Die ganze Sache nur in sich reinfressen ist sicherlich der falsche Weg.
Eventuell wäre ja auch eine Möglichkeit, wenn sich ein Vorgesetzter (Rettungsdienst) oder Gruppenführer (Feuerwehr) mal ein Gespräch zu dem Einsatz anfängt und sich erkundigt, wie es ihm geht...
Tut mir leid, dass du so etwas heftiges durchmachen musstest :( Bei meinem Freund war es auch ein Einsatz mit Todesfolge und schlimmen Umständen Bei ihm wird das besonders durch schlimme Alpträume deutlich. Er schreit nachts, wälzt sich im Schlaf und wenn er aufwacht ist er klitschnass und extrem aufgewühlt. Ich versuche ihn dann zu beruhigen, was er im Vergleich zum Alltag auch zulässt. Morgens oder tagsüber tut er dann immer so, als hätte es die Alpträume nie gegeben. Ich merke aber, dass er verstört und angespannt ist. Manchmal auch richtig abwesend und dann wieder konfus. Er ist nicht mehr der Alte wie damals, Ende November. Ich verstehe einfach nicht, warum er keinen Seelsorger oder eine Beratung aufsuchen will. Andererseits will ich ihn aber auch zu nichts zwingen. Vielen lieben Dank für deinen Erfahrungsbericht. Ich als seine Freundin fühle mich damit wenigstens verstanden.
Danke für diesen ausführlichen Beitrag. Ich weiß, dass es im Rettungsdienst neben einfachen auch sehr belastende Einsätze gibt. Ich habe zwischenzeitlich auch als Sanitäterin gearbeitet. Nur was mich einfach bedrückt ist, dass es jetzt seit Mitte Dezember so geht. Wie die Antwort eben sagt. Wenn es nur einmal für ein paar Tage gewesen wäre:Okay. Nur das geht jetzt seit Wochen so. Deine Tipps sind sehr gut. Wo ich meine Ängste habe ist die Tatsache, dass ich aufgrund seiner Reaktion weiß, dass er es als Vertrauensbruch sehen würde, dass ich seinen Chef informiere oder seine Kollegen. Das ist eben meine Angst. Ich hätte es damals als Sanitäterin im ersten Moment auch nicht toll gefunden, wenn mein damaliger Freund (damals auch Sani) zum Chef gerannt wäre, wenn er gewusst hätte, dass ich durch einen Einsatz schwer in Mitleidenschaft gezogen bin. Natürlich kann ich deine Ratschläge nachvollziehen. Ich empfinde es auch als das Angebrachteste. Seine Einsätze gehen ja weiter. Und damit ist nicht ausgeschlossen, dass er so etwas noch einmal erlebt. Und wenn er wirklich traumatisiert ist, kann so eine Retraumatisierung sicher nicht dazu beitragen, dass alles wieder besser wird.
Danke für die gut gemeinte und ausführliche Antwort. Erstes werde ich auf alle Fälle machen. Zweites lasse ich mir noch einmal durch den Kopf gehen. An sich empfinde ich diese Idee aber als richtig.