Venlafaxin oder Fluoxetin?
Hi Leute, seit einigen Monaten nehme ich jetzt Fluoxetin 30mg morgens. Nach anfänglichen starken Nebenwirkungen bemerke ich von der Wirkung jetzt... irgendwie nichts mehr. Antriebssteigernd ist es höchstens minimal und stimmungsaufhellend gar nicht. Im Krankenhaus wurde mir eine Umstellung auf Venlafaxin vorgeschlagen, da dieses wohl stärker auf die Stimmung und den Antrieb geht und zudem auch noch angstlösend sein soll, was ich gut gebrauchen könnte.
Nur habe ich bisher oft gelesen, dass die Nebenwirkungen am Anfang extrem sein sollen bei Venlafaxin, hat irgendjemand dazu Erfahrungen? Und ist die Wahrscheinlichkeit, davon zuzunehmen, höher als bei Fluoxetin? Unterscheidet sich die Wirkweise sehr? Ist Libidoverlust bei beiden Medikamenten gleich wahrscheinlich?
Ich weiß, dass ADs bei jedem anders wirken, aber mich interessieren trotzdem die Erfahrungen anderer. Fluoxetin hilft zwar kaum, aber immerhin ist es damit nicht die Hölle (wie bei Bupropion oder Risperidon), deshalb hätte ich etwas Sorge, mir mit der Umstellung ein noch größeres Problem anzulachen, andererseits könnte es bestenfalls ja auch wirklich helfen. Ich stehe dem Thema etwas ambivalent gegenüber, vielen Dank für alle Antworten schon mal :)
4 Antworten
Wie du richtigerweise erwähnt hast reagiert jeder auf jedes Medikament ein wenig anders. Trotzem sind andere Erfahrungsberichte interessant. Also, zuerst zum medizinischen, dann du meiner persönlichen Erfahrung.
Fluoxetin ist ein SSRI. Anders als Bupropion oder Risperdal hemmt es die Wiederaufnahme von Serotonin im synapsischen Spalt. Es war das erste SSRI auf dem Markt (in den USA nennt man es übrigens Prozac) und ist sehr stark auf Depressionen und weniger auf Angststörungen ausgerichtet. Bis heute hat es keine Zulassung gegen Angststörungen. Jedenfalls wird der Botenstoff Serotonin bzw. ein Mangel davon als Hauptursache für Depressionen angesehen.
Von dem her würde ich dir als nächstes Medikament eines empfehlen, dass ebenfalls die Wiederaufnahme von Serotonin hemmt. Die Auswahl diesbezüglich ist gross.
Venlafaxin ist ein SNRI, also ein selektiver Serotonin und Noradrenalin Wiederaufnahme-Hemmer. Im Unterschied zu Fluoxetin hemmt es nicht nur die Wiederaufnahme von Serotonin sondern auch jene von Noradrenalin. Noradrenalin ist vor allem für den Antrieb des Menschen zuständig.
Allerdings hemmt Venlafaxin das Noradrenalin erst ab einer relativ hohen Dosis (ca. 225mg). Vorher wirkt es eher wie ein SSRI. Zudem hat es die 30-fach höhere Selektivität zu Serotonin im Gegensatz zu Noradrenalin (1:30). Zum Vergleich: Duloxetin (auch in SNRI) hemmt bereits von Beginn weg das Noradrenalin und hat eine 10-fach höhere Selektivität zu Serotonin.
Hier findest du eine Übersicht über alle SSRI's und SNRI's inkl. Fachinfos: http://deprimed.de/ssri-ssnri-sndri-nari/
Es ist immer ein Risiko das Medikament umzustellen, dass kenne ich zu genüge. In den 6 Jahren meiner schweren Depression (diagnostiziert) habe ich unzählige Medikamente durchprobiert. Wie bei dir haben einige geholfen, dass ich nicht einen Totalabsturz hatte, doch das Leben war auch mit Medikamenten kaum erträglich. Nach meinem 14 Medikamentenversuch (kein Scherz) habe ich nun eines gefunden. welches mich wenigstens ansatzweise stabilisiert. Von "gesund" bin ich jedoch immer noch ein Stück weit entfernt.
Ich fand diese Umstellungen immer die Hölle. Das neue Risiko, die Nebenwirkungen und vor allem: Mann muss immer diese sch*** 2-4 Wochen warten um zu wissen ob das ganze Theater sich gelohnt hat.
Gut, noch zu meinen persönlichen Erfahrungen mit Venlafaxin. Ich bekam Venlafaxin als 2. Medikamentenversuch von meinen 14 Versuchen. Damals befand ich mich auf dem absoluten Tiefpunkt. Die Nebenwirkungen zu Beginn der Einnahme waren bei mir nicht stärker als bei jedem anderen Antidepressivum. Ich hatte vorübergehende Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Übelkeit etc. und Nebenwirkungen die längerfristig blieben wie z.B: das permanente Schwitzen und der Libidoverlust.
Zugenommen habe ich von Venlafaxin nicht, eher abgenommen. Doch ob dies mit meinem ohnehin katastrophalen Gesundheitszustand oder mit dem Medikament zu tun hatte vermag ich nicht zu sagen.
Jedenfalls war es wie bei den anderen Medikamenten. Gegen meine Panikattacken half es sehr gut, gegen meine Depressionen leider nicht so wie erhofft. Es stabilisierte mich zwar einigermassen, doch dies nur auf sehr tiefem Niveau. Ich kenne aus der Klinik jedoch viele Leute, bei denen das Medikament half. Wie gesagt, dies ist nur meine Erfahrung. Jeder reagiert anders auf jedes Medikament.
Oppps, der Text ist viel länger geworden als gedacht. Hoffentlich hast du ihn trotzdem gelesen ;-) sorry für die etwas ausführlichere Antwort.
PS: besuch den Link den ich erwähnt habe.
Wenns mit Venlafaxin nicht klappt musste es ja nicht nochmals mit Fluoxetin versuchen. Mir z.B. hat Venlafaxin nicht wie gewünscht geholfen, dafür Duloxetin. Dies ist insofern komisch, dass beides sogenannte SNRI's sind. Schlussendlich musst du entscheiden ob du das Risiko eingehen willst oder nicht. Ich sagte mir damals, dass mein Zustand keine Perspektive ist, darum habe ich gewechselt. Aber das ist bei jedem ja ein wenig anders.
Ja, das ist richtig. Venlafaxin wirkt auf zwei Neurotransmitter, auf Serotonin und Noradrenalin. Fluoxetin wirkt nur auf Serotonin, das Stimmungshormon. Durch die Abbauhemmung des Noradrenalins wirkt Venlafaxin stark antriebssteigernd...und das bei erträglichen Nebenwirkungen.
Hallo,
ich kann nicht aus eigener Erfahrung berichten, habe jedoch die Wirkung von Venlafaxin bei meiner Tochter mitbekommen. Sie bekam 225mg/tgl., das Medikament wirkte sehr antriebssteigernd bis hin zu Schlafproblemen.
Die Probleme begannen, als sie es absetzen wollte. Bis etwa 120mg war es noch möglich, es normal auszuschleichen, ab da begannen die Probleme mit gravierenden Absetzerscheinungen (früher hätte man Entzug gesagt). Sie hat dann mittels einer Feinwaage und Nagelfeile alle 8-10 Tage die Dosierung um 5mg verringert. Die ersten 2 Tage waren für sie immer schlimm. Sie hat es dann mit einem niedrig dosierten Psychostimulanz aufgefangen. Im Netz sind gerade was Venlafaxin anbelangt viele Erfahrungsberichte zu finden, die in die gleiche Richtung gehen.
Natürlich muss das nicht bei jedem gleich sein aber als mir eine Neurologin das Medikament "off label" gegen Hypersomnie verschreiben wollte, habe ich abgelehnt, mit dem Hinweis auf die Erfahrungen meiner Tochter. Sie bestritt, dass Venlafaxin überhaupt Absetzerscheinungen hätte!
Ist nicht direkt eine Antwort auf Deine Frage aber vielleicht ein Aspekt, der auch nicht ganz unwichtig ist.
Ich wünsche Dir alles Gute
harobo
Mein Schwiegervater hat Venlafaxin gut vertragen! Er hat schon morgens gesungen als er zum Frühstück erschien!
Danke für die ausführliche Antwort! Ja, ich habe auch schon eine ganze Palette von Medikamenten durch, SSRIs schlagen in der Regel kaum oder gar nicht an und bei den anderen bemerke ich zwar eine Veränderung, jedoch ist diese bisher nie zum positiven gewesen. Ich habe in der Klinik enorme Erfolge mit Venlafaxin gesehen (teilweise schienen die Leute wirklich euphorisch darunter), jedoch hätte ich wirklich keine Lust, bei einem Misserfolg das Venlafaxin wieder herunterzudosieren und erneut mit Fluoxetin zu beginnen... Ist alles kompliziert... :(
Und auch danke für den Link, ich werd´s mir gleich mal anschauen :)