Was bedeutet Rettungswagen mit Notarzt im seperaten Auto mit Blaulicht ohne Sirene?

6 Antworten

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Man unterscheidet Sonderrecht und Wegerecht . 

Sonderrecht kann man in Anspruch nehmen, wenn man eine Gefahr für Leib und Leben anderer abwenden oder ganz hohe Sachgüter schützen muss. Das kann der Herzinfarkt für den Rettungsdienst sein oder das brennende Haus für die Feuerwehr, aber auch den Privatmensch kann es Sonderrechte geben - z.B. Wenn die eigene schwangere Frau im Auto plötzlich stärkste Wehen bekommt und man schneller als erlaubt zum Krankenhaus fährt. Wenn man Sonderrechte in Anspruch nimmt, kann man die Regeln der Straßenverkehrsordnung übertreten, also z.B. schneller fahren, als erlaubt ist, und würde straffrei bleiben. Für Sonderrechte benötigt man keinerlei Signale, außerdem darf man zwar Regeln überschreiten, jedoch darf man andere niemals einschränken oder gefährden.

Vom Sonderrecht unterscheidet sich das Wegerecht. Um Wegerecht in Anspruch zu nehmen benötigt man Blaulicht und Martinshorn, und zwar beides zusammen. Laut StVO bedeuten blaues Blinklicht und Sirene zusammen, dass alle anderen Verkehrsteilnehmer unverzüglich freie Bahn zu schaffen haben. Nur Blaulicht reicht da nicht. 

Rettungsdienst mit Blaulicht und Tatütata nehmen also Sonderrechte in Anspruch, denn sie ignorieren Verkehrsverein, und Wegerecht, da sie mit der Sondersignalanlage alle anderen aus dem Weg scheuchen.

Wenn gerade niemand zu scheuchen ist, wird oft das im Fahrzeug ziemlich laute und störende Martinshorn ausgeschaltet. Streng genommen kann das Fahrzeug dann nur noch Sonderrechte in Anspruch nehmen, aber das reicht ja. So wird es in dem von dir geschilderten Fall gewesen sein. 

Dass Notarzt und Rettungswagen getrennt starten und dann aber zum gleichen Einsatz fahren, nennt man Rendezvous-System. Es gibt wesentlich weniger Notärzte als Rettungswagen und bei vielen Einsätzen ist ein Notarzt auch gar nicht notwendig. Daher fahren immer RTW  zu den Einsätzen und nur bei einer lebensbedrohlichen Lage kommt ein Notarzt dazu. Ist es dann doch nicht so schlimm oder kann der Patient stabilisiert werden, der Notarzt wird also nicht mehr gebraucht, kann er sich in seinem eigenen Auto wieder davon machen und der RTW transportiert den Patienten. Wäre der Notarzt mit im Rettungswagen, könnte er nicht weg, selbst wenn irgendwo anders etwas ganz schlimmes passieren würde.  Das System mit zwei Fahrzeugen ist somit flexibler. 

Du hast vermutlich gesehen, wie die zwei Autos sich auf dem letzten gemeinsamen Stück des Wegs zum Patienten getroffen haben und dann hintereinander her zum Patienten gefahren sind.

BlueHope28 
Beitragsersteller
 06.05.2017, 18:33

Vielen Dank!
Diese Erklärung erklärt alle offenen Fragen, vielen Dank!!!

Sonderrechte und Wegerecht sind 2 paar Schuhe.. Blaulicht alleine bedeutet er darf die StVO einschränken aber die anderen Verkehrsteilnehmer müssen ihn kein platz machen. Blaulicht und Horn bedeutet das man Sonderrechte und Wegerecht hat=heist alle müssen Platz machen. Ich lasse auch so lange es geht die Tröte aus (nervt uns und den Patienten) erst wenn mir andere Verkehrsteilnehmer im Wege stehen oder warnen will oder ich eine rote Ampel überfahren muss dann mach ich die an. Sonst bleibt das Ding aus.

Ja ist normal das sie mit Blaulicht fahren sind normale Sonderrechte. Die Sirene wird nur dazu geschaltet wenn es notwendig ist, zb. an Kreuzungen oder Ampeln beim überholen eventuell, oder wenn einer nicht merkt das hinter ihm ein Krankenwagen fährt mit Blaulicht etc. Es muss ja nicht unbedingt durchgehend die Sirene läuten und extra Lärm zu vermeiden.

BlueHope28 
Beitragsersteller
 30.04.2017, 22:01

Dankeschön!
Ich habe mich nur gewundert, weil mir das so noch nie begegnet ist.

Die waren wohl aufm Rückweg vom Einsatz und machen das Horn nur an wenn es notwendig ist. Es kann ja auch sein das es schnell ins Krankenhaus gehen muss...

In der Praxis werden beide Rechte oft zusammen genutzt, juristisch muss man aber zwischen Sonderrechten und Wegerechten unterscheiden.

Sonderrechte sind in Paragraph 35 der Strasenverkehrsordnung geregelt und befreien die (Bundes-)Polizei, die Feuerwehr, den Katastrophenschutz, den Zoll, Fahrzeuge des Rettungsdienstes und die Bundeswehr von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung, wenn so genannte hoheitliche Aufgaben zu erfüllen sind oder im Falle des Rettungsdienstes Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden sind. Mit Sonderrechten, darf man zum Beispiel die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreiten, über rote Ampeln fahren und Entgegengesetzt in Einbahnstraßen einfahren, um den Einsatzort schnellstmöglich zu erreichen, allerdings muss man immer auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung achten und darf diese nicht gefährden, was in der Praxis manchmal sehr schwer ist. Um Sonderrechte in Anspruch zu nehmen, sind nicht unbedingt Signale wie Blaulicht nötig, so haben zum Beispiel Angehörige der freiwilligen Feuerwehr im Einsatzfall auf der Anfahrt zum Gerätehaus mit dem Privatfahrzeug auch Sonderrechte, allerdings muss man dann sehr vorsichtig sein, da für andere nicht ersichtlich ist, das man Sonderrechte beansprucht. Bei Fahrzeugen die damit ausgestattet sind, wird die Inanspruchnahme von Sonderrechten den anderen Verkehrsteilnehmern jedoch durch Blaulicht kenntlich gemacht.

Wegerechte sind in Paragraph 38 Straßenverkehrsordnung geregelt und ordnen an, "alle übrigen Verkehrsteilnehmer müssen SOFORT freie Bahn schaffen". Um Wegerechte in Anspruch zu nehmen, bedarf es Blaulicht UND Folgetonhorn, das Blaulicht alleine, gibt also noch kein Wegerecht, auch wenn die meisten Verkehrsteilnehmer dennoch freie Bahn schaffen. Wegerecht darf verwendet werden, um bedeutende Sachwerte zu erhalten (zum Beispiel das brennende Haus bei der Feuerwehr), flüchtige Personen zu verfolgen (Polizei, Zoll) oder um Menschenleben zu retten und schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden (Rettungsdienst aber auch Feuerwehr, wenn die Feuerwehr zum Beispiel bei einem Unfall jemanden befreien muss). Das Horn muss also immer eingeschaltet werden, wenn Wegerechte durchgesetzt werden müssen, zum Beispiel im Stau oder beim fahren über eine rote Ampel, da man da zwar drüberfahren darf (Sonderrechte), der Querverkehr aber ohne Horn nicht anhalten müsste, da kein Wegerecht in Anspruch genommen wird.