Abgestumpft durch Tätigkeit im Rettungsdienst?
Hallo,
meine Frage richtet sich insbesondere an Mitarbeiter im Rettungsdienst, Ärzte, Krankenpfleger oder auch Polizisten.
Ich bin Rettungssanitäterin und habe nach ca. 2 Jahren Tätigkeit im RD festgestellt, dass ich emotional sehr abgestumpft bin. Ich war immer ein sehr empathischer Mensch.
Seitdem ich vermehrt mit belastenden Einsätzen, Verletzungen und Tod in Berührung komme, bin ich weit weniger empathisch und emotional und frage mich daher, ob das jemand anderem auch so geht?
Ich denke, dass es sich dabei um einen Schutzmechanismus handelt und daher eher unbedenklich und nicht ungewöhnlich, aber ich bin mir einfach nicht mehr sicher, ob ich für die Tätigkeit im Rettungsdienst psychisch nicht so gefestigt bin, wie ich bisher gedacht habe.
*psychisch so gefestigt bin, wie ich bisher gedacht habe.
7 Antworten
Hi,
ob das jemand anderem auch so geht?
Ich behaupte mal - ohne es Belegen zu können - dass es mir mitunter genauso geht, und vielen anderen Kollegen auch.
Ein gewisses "Abstumpfen" ist normal. Und ein gewisses "Abstumpfen" kann durchaus auch positiv sein.
Man muss bedenken, dass wir in einem bisweilen sehr speziellen Bereich arbeiten - unser Berufsalltag besteht letztendlich oft aus, gemessen am Durchschnittsmenschen, Ausnahmesituationen. Wir werden praktisch tagtäglich mit mehr oder minder schlimmen Krisen konfrontiert, sodass sich letztendlich auch schlicht eine Routine einstellt.
Und, ich behaupte: das ist auch gut so. Ich würde mir eher Gedanken über die Kollegen machen, die auch nach Jahren bei einer unkomplizierten Unterarmfraktur oder dem kreislaufstabilen Herzinfarkt denken "Oh Gott, ist das schlimm!" oder nach der Todesfeststellung beim 90-jährigen, der friedlich im Schlaf verstorben ist, tagelang aus der Bahn geworfen werden.
Am Ende des Tages ist es ein normaler und auch durchaus gesunder Schutzmechanismus - und der tritt auch bei einer hohen Resilienz auf.
Irgendwann verblasst auch die "rosarote Brille" des Berufseinstiegs und aus Rettungsdienstromantik wird lediglich eine realistischere Betrachtungsweise - und in der sieht man auch vorhandene Probleme und Störfaktoren deutlicher.
Ferner habe ich über die Jahre hinweg gemerkt: je sicherer und kompetenter man in der medizinischen Arbeit wird, desto eher verlagert sich auch einfach der Fokus darauf. Es entsteht (zumindest bei manchen Kollegen) teilweise tatsächlich der Eindruck, dass fachliche Lücken mit sehr großer Empathie und Hingabe zum Patienten kompensiert werden - und sich das auch mit wachsender Erfahrung ändert.
aber ich bin mir einfach nicht mehr sicher, ob ich für die Tätigkeit im Rettungsdienst psychisch nicht so gefestigt bin, wie ich bisher gedacht habe.
Im Grunde muss man sich da das Gesamtbild ansehen - macht die Arbeit noch Spaß? Ist die Versorgung der Patienten immer noch auf gleich guten oder gar besseren Niveau? Passt es mit den Kollegen?
Kritisch hinterfragen würde die Arbeit dann, wenn
- sie anhaltend keine Freude mehr bereitet oder gar zur Qual wird,
- sich psychische, physische Probleme oder Erschöpfungszustände einstellen,
- die Patientenversorgung darunter leidet oder
- "einem die Fliege an der Wand stört" (dauerhafte Unzufriedenheit wegen Kleinigkeiten).
LG
Wobei man hier das "abstumpfen" deutlich von Abgrenzung unterscheiden MUSS.
Es handelt sich hier bei um eine gewünschte Schutzreaktion, nur die ermöglicht uns konzentriertes und der Situation angepasstes agieren. Emotionen nach Bewältigung der Krisensituation sind in Ordnung, die helfen u.U. sogar das Geschehene zu verarbeiten.
Besonders dramatische Einsätze werden im Team aufgearbeitet. Hier wird deutlich das jeder ganz eigene Strategien entwickelt mit derartigen Erfahrungen umzugehen. Es gibt hier keine klare Richtlinie.
Wer sich nicht abgrenzen kann sollte sich entweder gezielte professionelle Hilfe suchen oder über einen Jobwechseln nachdenken.
Das deckt sich mit meiner eigenen Erfahrung und der im Kollegenkreis aufgeschnappten Aussagen, also stehst du mit deinem Erleben nicht allein dar.
Ist ja auch logisch (Situationen, die man oft erlebt, verlieren ihren "besonderen" Status) und gut so (weil man sonst leiden würde), eben den Schutzmechanismus, den du bereits erwähnt hast. Für den Laien ist der Tod etwas furchtbares oder abstoßendes, wir kommen nach "Exitus vor Eintreffen" wieder in die Wache und wärmen das Mittagessen auf. Zu Beginn der Karriere sollten solche Situationen einen nicht kalt lassen, alles andere fände ich bei einem Anfänger pathologisch, später hingegen muss man lernen, damit um zu gehen.
Man macht halt seine Erfahrungen, wozu auch zählt, Situationen anders als die betroffenen Patienten und Angehörige zu bewerten: "mein Vater blutet GANZ stark, kommen Sie schnell!", "Das Kratzerchen da? Pflaster drauf, Karte her, Abfahrt!"
Man sollte sich auch immer vor Augen führen, dass wir die Patienten (in der Regel) nicht kennen und keine soziale Bindung aufbauen, zum Beispiel bei dem Thema Tod: dieser gehört zum Leben dazu, ebenso wie die Krankheit. Wenn jemand mir völlig unbekanntes verstirbt, sehe ich keinen rationalen Grund, Trauer zu empfinden. Anders ist das natürlich bei Szenarien, die eine Entsprechung in unserem eigenen Leben haben, zum Beispiel ein exakt gleicher Suizid oder Unfall, zu dem wir kommen aber auch schon privat erlebt haben. Damit kann und darf jeder ein Problem haben und sollte sich dringend an ausgebildete Hilfe wenden.
Als Nachtrag möchte ich noch hinzufügen, was manch anderer Kollege bereits erwähnt hat:
Eine objektive, fachlich korrekte Patientenversorgung benötigt manchmal einer gewissen Distanz. Zum Beispiel bei der Analgesie muss ich bestimmte Faktoren abfragen und eine grundlegende Anamnese erheben, ohne die die Therapie nicht möglich ist. Da nützt es dem Patienten wenig, wenn ich besonders empathisch und sensibel arbeite, aber nicht zum Punkt komme (Midazolam und Esketamin verabreichen). Das Anbringen eines Tourniquets tut dem Patienten (vermutlich, weil keine eigene Erfahrung) höllisch weh, aber ich muss es machen, um sein Leben zu retten. In diesem Moment ist keine Zeit für Empathie und Worte, nur für beobachten, bewerten, handeln, überprüfen.
Ja, das ist normal. Sehr viele Ärzte sind emotional total abgestumpft und merken diesbezüglich nur noch wenig.
Quasi alles, mit dem wir täglich konfrontiert sind, stumpft ab. Beim medizinischen Personal also leider auch Tod, Elend und Verletzungen.
Wieso glaubst du, dass persönliche Angriffe in Ordnung sind? Was habe ich dir getan? Woher weißt du, wie gut ich mich mit der Thematik auskenne? Warm solche Vorwürfe und Angriffe?!
Nun reiß dich mal zusammen. Ich kenne das durchaus alles aus erster Hand.
iwaniwanowitsch hat das zum Beispiel auch ganz realistisch beschrieben.
DAS ist ein pauschalisierender Angriff:
Sehr viele Ärzte sind emotional total abgestumpft und merken diesbezüglich nur noch wenig.
…und ich nheme mir das Recht den deutlich zu widersprechen.
Du bist KEIN Mediziner, deine schlechten Erfahrungen können die unmittelbare Folge DEINES Benehmens gegenüber den Ärzten sein.
Hier gezielt eine Berufsgruppe zu denunzieren bewerte ich vor allem auch in der derzeitigen Lage für unverschämt.
Das medizinische Personal arbeitet am Limit, es fehlt an Personal - die Folge sind Überstunden ohne Ende bis zur Völligen Erschöpfung. Die Leute machen nicht einfach krank, weil die haben ein Gewissen.
Und dann muss man sowas lesen…..
Du reagierst sie viel zu überempfindlich und persönlich angefressen.
Es ist einfach Fakt, dass für die allermeisten Menschen die Konfrontation mit toten oder sterbenden Menschen höchst belastend, manchmal schockierende oder traumatisierend ist. Gleichfalls ist es auch Fakt, dass dies für viele Mediziner (erst recht im Rettungsdienst) einfach tägliches Geschäft ist und damit locker umgegangen wird. Lies dir all die andere Antworten hier durch von Rettungs- und Pflegekräften: Sie stimmen mir zu.
Ärzten geht der Tod von Patienten nur noch in Ausnahmefällen nahe. Ärzte sind Sterben und Tod gewohnt. Dem willst du doch wohl nicht ernsthaft widersprechen?!
Auf menschliche Schicksale bezüglich Erkrankungen reagieren Ärzte weit überwiegend kalt.
Fakten sind keine Denunziation. Aussagen wie "sehr viele" sind auch nicht pauschal, sondern überdacht.
Du denunzierst ….. deine angeblichen „Fakten“ sind persönliche schlechte Erfahrungen. Die wiederum überträgst du pauschal auf den kompletten Berufszweig.
Niemand ist Tod oder sterben gewohnt….wir müssen lediglich lernen damit umzugehen - das nennt sich „professionelle Distanz“. Die ist nicht anderes als ein Selbstschutz. Ohne den Mechanismus ist es praktisch unmöglich wichtige Entscheidungen zu treffen und konzentriert zu arbeiten.
Bis heute leidet meine Frau an Erfahrungen von Einsätzen auf der Säuglingsintensiv, bis heute lassen sie die Erfahrungen mit sterbenden Frühgeborenen nicht los. Das ganze ist 2o Jahre her…. Bis heute kämpfe ich mit schrecklichen Erfahrungen auf der Kinder-Onkologie, die Schicksale werden mich bis zu meinem Tod begleiten. Ich kenne noch die Name aller verstorbenen Kinder aus der Zeit, habe sogar noch Kontakte zu Eltern.
Darunter aber darf die Verantwortung für die aktuellen Patienten /Job nicht leiden! NiCHT DU sagst uns wie wir damit umzugehen haben, wir entscheiden das für uns.
Was glaubst du war auffällig viele Menschen in medz. Berufen unter Depressionen und Suchterkrankungen leiden? Sicher nicht weil sie abstumpfen….
war = warum
auffällig viele Menschen in medz. Berufen unter Depressionen und Suchterkrankungen leiden
Ja, auffällig viele -- wohl tatsächlich die, die es eben nicht schaffen, entsprechende Distanz und Abstumpfung aufzubauen.
Aber das Argument greift eben nur für ebendiesen Anteil. Für alle anderen nicht.
Beschäftige dich mal mit der Definition von „abstumpfen“, dessen Bedeutung ist ganz weit weg von „sich distanzieren / professionelle Distanz“.
Was tatsächlich in der Köpfen deiner behandelnden Ärzte vorgeht kannst du NICHT wissen, du hast keine Ahnung inwieweit die Ballast mit sich rumschleppen.
Also bleibe ich dabei….du denunzierst.
Ich denke schon, dass du Geeignet bist für diesen Beruf.. Nur weil du schlimme Dinge miterlebt hast ( hast meinen Respekt !!!) Heißt es ja nicht gleich dass du "gestört " dadurch geworden bist. Ich denke vielmehr deine Erklärung ist richtig. Man stumpft da weitgehend ab.. Stell dir mal vor Ärzte würden während der OP weinen weil sie grad jemanden operieren oder so, die müssen ja einen kühlen Kopf bewahren. Ich denke du hast recht es ist wohl oder übel normal als Schutz dass man da ein wenig emotional abstumpft. Macht es dir denn spaß? Machst du es gerne ? Oder merkst du, eu Kannst es nicht mehr... dann wäre es ein Gedanke wert den Berufszweig zu wechseln. So oder so Jeder der diesen Beruf ausübt hat meinen größten Respekt.
Danke für deine Antwort! :)
Ja es macht mir schon Spaß. Ich werde es aber ohnehin nicht für immer machen, da es körperlich sehr anstrengend ist und ich nicht bis zur Rente im Schichtdienst arbeiten möchte. Ich studiere Psychologie, daher werde ich planmäßig ohnehin in einigen Jahren als Psychologin tätig sein.
So oder so Jeder der diesen Beruf ausübt hat meinen größten Respekt.
Danke :)
Für manche Einsätze könnte man auch Psychologen gebrauchen ;-)
Ich finde den Begriff abstumpfen sehr negativ und abwertend.
Man stumpft nicht ab, man muß sich von schlimmen Geschehnissen/Fakten distanzieren, um sich selbst zu schützen. In solchen Berufen sieht man tagtäglich unendliches Leid. Das ist ohne gute Schutzfunktionen nicht auf Dauer ertragbar.
Nicht umsonst ist die Depressionsrate und die Aussteigerrate in solchen Berufen so enorm hoch.
Was andere als abgestumpft und unempathisch ansehen, ist ein sachliches Abarbeiten der vorliegenden Problematik, damit es dem Betroffenen möglichst schnell besser geht.
Ein Mensch mit extrem starken Schmerzen will keine guten Worte hören, der will sofortige Schmerzstillung.
Was ein Blödsinn. Woher willst du wissen wer abgestumpft ist, was in unseren Köpfen vorgeht?
Ärzte müssen lernen sich abzugrenzen....nur dann ist es möglich eine Situation objektiv zu beurteilen und konzentriert zu agieren.
Was wir mit nach hause nehmen kann du ganz sicher NICHT beurteilen.