Als Pflegefachmann draußen bei einem Unfall Viggo legen?
Guten Abend,
Ich bin dabei die Ausbildung zum Pflegefachmann zu absolvieren. Wir haben in der Ausbildung auch Viggo legen und Medikamentenkunde.
Jetzt ist meine Frage darf ich wenn ich draußen bin und zu einem Unfall komme bei einem Patienten eine Viggo legen wenn ich mich geübt bin und der Patient ist ein Polytrauma Patient und schon eine Jono anhängen?
Gruß
6 Antworten
Der absolute Schwerpunkt einer GUTEN notfallmedizinischen Erstversorgung und das gilt insbesondere dann, wenn man der einzige vor Ort anwesende Helfer mit einer Qualifikation, die über die Inhalte eines erste Hilfe Kurses hinausgeht ist, sind effektive Basismaßnahmen!. Zunächst einmal die Absicherung der Gefahrenstelle (Warnblinker, bei Dämmerung und Dunkelheit mit den Fahrzeugscheinwerfern die Gefahrenstelle ausleuchten, die Warnweste tragen und das Warndreieck in ausreichender Entfernung aufstellen, dass sind die allerersten Schritte!. Der Eigenschutz hat die absolute Priorität vor allem Anderen und ein Folgeunfall mit weiteren Betroffenen, bringt letztenendes auch niemandem etwas!. Bei mehreren Betroffenen, erfolgt zunächst überhaupt gar keine Individualtherapie sondern man sichtet zunächst einmal alle Patienten (ja, die Sichtung ist eine ärztliche Aufgabe rechtlich aber auch als Nichtarzt, muss man beim Notruf qualifizierte Angaben machen, damit die Leitstelle die richtige Anzahl an Rettungsmitteln und auch die richtigen Rettungsmittel entsenden kann). Diese nichtärztliche sogenannte "Vorsichtung", umfasst also die ANZAHL DER BETROFFENEN und auch deren ungefähre Verletzungsschwere (ansprechbar oder bewusstlos?, stark blutende Verletzungen sofort erkennbar?, peripherer Puls gut tastbar oder schlecht tastbar, grobe Frequenz). Beim Notruf, gibt man der Leitstelle dann Anzahl der Betroffenen durch, ob es bewusstlose Patienten gibt und wie viele wahrscheinlich bereits eine instabile Kreislaufsituation haben oder demnächst haben werden (starke äußere Blutungen, Puls schlecht tastbar und tachykard). Zunächst, sollte ein "normaler" Notruf abgesetzt werden, nach Durchführung der Vorsichtung dann ein erneuter Notruf mit den präzisen obrigen Informationen an die Leitstelle.
Nun aber zu deiner rechtlichen Frage: du solltest gelernt haben, dass ein peripher- venöser Zugang und die Applikation von sämtlichen Arzneimitteln rechtlich Maßnahmen sind, die der ärztlichen Heilkunde obliegen und man als nichtärztliches Fachpersonal demnach dafür die Delegation (Anordnung) einer approbierten Ärztin oder eines approbierten Arztes benötigt. Dennoch lautet die Antwort auf deine Frage JA, DENN das Heilpraktikergesetz (HeilprG), welches die Maßnahme(n) als Maßnahmen der ärztlichen Heilkunde klassifiziert, gilt nur bei einer "Berufs- oder gewerbsmäßigen Ausübung der Heilkunde", der Volltext des Gesetzes lautet auch "Gesetz über die Berufs- und gewerbsmäßige Ausübung der Heilkunde". Außerdem, kann man sich bei einer rechtlichen Anwendbarkeit des HeilprG unter gewissen Voraussetzungen (gegenwärtige UND nicht anders abwendbare Gefahr für Leben oder Leib) auf den "rechtfertigenden Notstand" nach Paragraph 34 des Strafgesetzbuches (StGB) berufen, demnach, ist ein Verstoß gegen den im HeilprG nominierten Heilkundevorbehalt unter den genannten Voraussetzungen nicht rechtswidrig und im Ergebnis somit straffrei. Das nichtärztliche Fachpersonal des Rettungsdienstes, muss sich häufig auf Paragraph 34 StGB berufen, wenn (not-)ärztliche Hilfe nicht rechtzeitig zur Verfügung steht, weil es bei der Ausübung seines Berufes ja logischerweise "berufsmäßig" handelt und somit der Heilkundevorbehalt im HeilprG gilt. DENNOCH, ein nicht geltender Heilkundevorbehalt (da Maßnahme privat ausgeführt) oder eine Rechtfertigung durch den "rechtfertigenden Notstand" im Dienst, sind eindeutig KEIN "FREIBRIEF" für Maßnahmen, welche der Heilkunde zuzuordnen sind, DENN SIE ERFÜLLEN DESWEITEREN AUCH DEN STRAFTATBESTABD DER KÖRPERVERLETZUNG und das Strafrecht hat immer Gültigkeit, beruflich wie privat. Dass bedeutet, wenn du dem Patienten durch die Maßnahme einen (weiteren) gesundheitlichen Schaden zufügst, weil du der Meinung bist jetzt hier einen auf "Dr.med." machen zu können/ zu dürfen, dann ist dass immer eine Körperverletzung, bei bleibenden Schäden eine schwere Körperverletzung und bei einem Versterben des Patienten aufgrund eines Behandlungsfehlers immer eine Körperverletzung mit Todesfolge oder auch eine -fahrlässige- Tötung mit allen strafrechtlichen Konsequenzen!. Das heißt, bei Fehlern drohen bis zu mehrere Jahre Haftstrafe!. Mit einer jetzt im baldigen Winter eiskalten Infusionslösung "im Schuss", würdest du den Patienten u.a. Killen, denn unser Herz findet es ganz und gar nicht schön, wenn da aufeinmal eine Flüssigkeit "angeschossen" kommt, die weit unterhalb der Körperkerntemperatur temperiert ist, dass führt bis hin zu einem kardiogenen Schock, die Infusionslösungen befinden sich in den Fahrzeugen des Rettungsdienstes also nicht umsonst in einem Thermofach. FAZIT DES GANZEN: lass' es sein, wenn du dich nicht ganz genau auskennst!.
Mal so als "Fangfrage": wie wäre der Zielblutdruck bei einem "echten" Polytrauma??, bitte nicht googeln bzw. wenn du es googelst oder anderweitig nachsschlägst und du die Antwort nicht gewusst hattest, dann gestehe dir bitte selber ein, dass du es nicht machen solltest.
Mfg.
Ergänzend sei erwähnt, dass eine Maßnahme "Beherrschen" im juristischen Sinne nicht alleinig bedeutet, dass man die jeweilige medizinische Maßnahme unter den klinischen Idealbedingungen beherrscht sondern ein "Beherrschen" für eine eigenverantwortliche Durchführung im juristischen Sinne erst dann gegeben ist, wenn man auch die mit der jeweiligen medizinischen Maßnahme verbundenen, möglicherweise eintretenden Komplikationen (Kontraindikationen und Nebenwirkungen) kennt und diese ebenfalls eigebständig (d.h. ohne einen Arzt in unmittelbarer "Rufweite") beherrschen kann. Mfg.
Hi,
im Grunde genommen haben Rollerfreake und RedPanther schon alles wesentliche gesagt.
Invasive Maßnahmen - wie das Legen eines peripheren Zugangs - stehen primär mal unter Arztvorbehalt.
Heißt also, man kann es machen, wenn...
- man Arzt ist,
- die Aufgabe von einem Arzt delegiert bekommt oder
- eine Notstandslage (rechtfertigender Notstand, § 34 StGB) vorliegt.
Fall 1 können wir ausschließen, Fall 2 in der Praxis ebenfalls - wenn ein Arzt anwesend ist, wird er diese Maßnahme selbst ausführen, bevor er sie einem Wildfremden delegiert. Bleibt also nur Fall 3 - der rechtfertigende Notstand, denn regelhaft wäre es eine Kompetenzüberschreitung.
Jetzt ist meine Frage darf ich wenn ich draußen bin und zu einem Unfall komme bei einem Patienten eine Viggo legen wenn ich mich geübt bin und der Patient ist ein Polytrauma Patient und schon eine Jono anhängen?
Oder in kurz, als Faustregel: wenn man fragen muss, ob man es darf, darf man es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht.
Der rechtfertigende Notstand ist eben nur ein Rechtfertigungsgrund. Bildlich gesprochen also das letzte "Ave Maria", dass die Erfüllung des Straftatbestands ganz knapp vor der Verurteilung aushebelt. Stellt man nun retrospektiv fest, dass die Lage "nicht so schlimm war", steht man mit einem Bein im Knast. Keine gute Arbeitsbasis.
Ansonsten ist das Legen eines venösen Zugangs prinzipiell mal eine Körperverletzung (§ 223 StGB), die Gabe von Medikamenten eine gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB). Damit es dazu nicht kommt, braucht es mal eine entsprechende Aufklärung und Einwilligung des Patienten (vgl. § 228 StGB, §§ 630a - h BGB) - und vor allem die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme.
Gerade die Verhältnismäßigkeit wird dir da einen Strich durch die Rechnung machen. Die Maßnahme muss nämlich nicht nur medizinisch indiziert sein und der Anwender muss sie auch sicher beherrschen (Praxiserfahrung?), sondern es müssen de facto weniger invasive Maßnahmen unzureichend gewesen sein. Im Bereich der Ersten Hilfe, in dem man sich hier auch als medizinisches Fachpersonal bewegt, wird letzteres regelhaft nicht gegeben sein.
Von den rechtlichen Aspekten abgesehen ist eine solche Maßnahme in Zivil also schon nicht erforderlich - sinnvoll ist sie obendrein nicht. Mal im Ernst: mit einer reingefriemelten Viggo und einer Jono rettet man dem Polytrauma nicht das Leben...
Für die Praxis
Mal sowohl für die Pflege, als auch den Einsatz als Ersthelfer: Basismaßnahmen sind das A und O. Und: Basismaßnahmen immer vor erweiterten Maßnahmen.
Dem Polytrauma in den ersten fünf Minuten rettet ein freier Atemweg, das Stoppen von Blutungen und der großzügige Wärmeerhalt das Leben. Nix anderes.
Heißt also ganz simpel:
- Anhalten,
- Unfallstelle absichern,
- sich über Unfallfolgen vergewissern,
- allerspätestens jetzt der Notruf über die 112,
- Lebensrettende Sofortmaßnahmen und
- weitere Erste Hilfe nach Bedarf.
Wenn das alles ordentlich (!) erfolgt ist, kann man mal vorsichtig erwägen, erweiterte Maßnahmen nach Kenntnisstand zu ergreifen. Und dann steht selbst in der Peripherie schon die Kavallerie des Rettungsdienstes mit einem RTW neben einen.
Es ist wirklich nichts gewonnen, wenn der Patient mit einer Infusion versorgt ist (und welches Volumenmanagement angestrebt wird?), dafür der halbherzig angelegte Druckverband durchsuppt und der Patient immer noch bei 3°C im Regen auf der Straße liegt. Wenn es so gemacht wird, darf man sich über eine sehr großzügige Kritik seitens des Rettungsfachpersonals und des Notarztes nicht wundern...
Fazit für die Praxis
Sein lassen!
Deine gesetzliche Pflicht zur Hilfeleistung (§ 323c StGB) hast Du mit dem Absetzen des Notrufs und sinnvollen Basismaßnahmen (siehe oben) vollends erfüllt. Invasive Maßnahmen gehören nicht zu dem "Erwartungshorizont" und auch nicht zur Regelkompetenz.
Und was noch viel wichtiger ist: damit hast Du vor allem dem Patienten etwas Gutes getan - das ist genau das, worauf es ankommt.
LG
Es spielt für die pauschale Betrachtung erstmal keine Rolle, ob Du die Maßnahme ergriffen hast, oder jemand anderes. Frei nach dem Motto: nur weil andere Unsinn betreiben, musst Du es nicht auch machen.
Wir sind heute zu einem Unfall gekommen wo ein Gesundheits und Krankenpfleger ein Zugang schon gelegt hat damit wir direkt weitermachen konnten.
Die interessante Frage ist ja: wie sah die sonstige Versorgung aus?
Gab es irgendwas von
- Anhalten,
- Unfallstelle absichern,
- sich über Unfallfolgen vergewissern,
- allerspätestens jetzt der Notruf über die 112,
- Lebensrettende Sofortmaßnahmen und
- weitere Erste Hilfe nach Bedarf?
Wenn nein, wurde aus medizinischer Sicht definitiv unsinnig (und unter Umständen patientenschädigend) gehandelt - wenn ja, müsste immer noch geklärt werden, ob es eine verhältnismäßige Maßnahme war.
Gerade für medizinische Fachberufe - egal, ob sie in der Klinik oder Präklinik arbeiten - sollten so ein paar Grundsätze der Patientenversorgung (auch als Ersthelfer) nicht nur verinnerlicht, sondern auch beherzigt werden.
Für den Bereich des Rettungsdienstes kann ich dir versichern: Basismaßnahmen vor erweiterten Maßnahmen, nicht-invasive vor invasiven Maßnahmen ist unabhängig vom Ausbildungsstand ein Muss.
Ich habe ja nicht gesagt das ich einen Jono dabei habe. Wir sind heute zu einem Unfall gekommen wo ein Gesundheits und Krankenpfleger ein Zugang schon gelegt hat damit wir direkt weitermachen konnten.
Ps bin ehrenamtlich beim DRK
Dir ist ja sicherlich klar, dass das eine ärztliche Maßnahme ist (die an nichtärztliches Personal delegiert werden kann). Und dir ist sicherlich klar, dass du im beschriebenen Fall weder Arzt bist, noch im Auftrag eines Arztes handelst.
Es kommt also nur der rechtfertigende Notstand infrage, um die Anlage eines Venenzugangs zu legitimieren.
Also, ganz einfache Checkliste für den rechtfertigenden Notstand:
- Ist die Maßnahme notwendig, um schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden oder gar ein Menschenleben zu retten?
- Ist die Maßnahme geeignet?
- Sind alle möglichen legalen Maßnahmen ausgereizt?
- Muss die Maßnahme wirklich sofort erfolgen?
- Beherrscht man die Maßnahme - das heißt, hat man damit nicht nur Übung, sondern kann auch mit Komplikationen umgehen?
Das bedeutet, du solltest dir vorher überlegen, wie du ggf. einem Richter folgende Fragen beantwortest:
- Mit welchem Fachwissen hast du das Polytrauma festgestellt und entschieden, dass der Venenzugang notwendig ist?
- Welche Wirkung wolltest du mit dem Venenzugang erzielen, welches Problem hast du damit bekämpft?
- Wäre es möglich gewesen, z.B. mit Blutstillung und Schocklage das Problem ausreichend zu bekämpfen?
- Woher wusstest du, dass der Rettungsdienst so lange braucht, dass der Patient nicht bis zu seinem Eintreffen warten kann?
- Wie viele Zugänge hast du im Lauf des letzten halben Jahres gelegt? Insbesondere bei Personen mit schwierigen Kreislaufverhältnissen?
- Warst du dir über die Kontraindikationen im Klaren?
- Was hätte schiefgehen können und was hättest du dann gemacht?
Klar: Wenn alles gut geht, wird wahrscheinlich kein Hahn danach krähen. Die Nachfragen kommen, wenn etwas schief geht - und dann bist du gut beraten, wenn du auf alle diese Fragen eine sinnvolle Antwort hast.
Ich persönlich habe nur schlechte Erfahrungen damit gemacht, dass zufällig anwesende Personen schon ärztliche Maßnahmen ergriffen haben. Mein Favorit war ein Arzt (Internist), der einem mutmaßlich poltraumatisierten Pkw-Fahrer zwei Venenzugänge in die Ellenbeugen legte. In der Größe 22 G (blau). Wo maximal 36 l/min durch gehen. Einer davon lag in der Arterie. Der andere war mit einem einzelnen schmalen Streifen Tesa (!) fixiert und rutschte folglich heraus, als sich der Patient bewegte. Im Ergebnis lagen wir mit einem Patienten, dessen Blutdruck zusehends in den Keller rauschte, bei -2°C auf dem Acker und fanden keine geeignete Vene mehr, um einen großen Zugang zu legen. Der Transport in den warmen RTW scheiterte daran, dass der Mensch vor Schmerzen schrie. Als der Arzt dann noch verkündete, dass er zur Analgesie 1 mg Morphin subcutan gespritzt habe und der Patient doch eigentlich schmerzfrei sein müsste, platzte unserem Notarzt der Kragen. Er fragte den Arzt, ob er studiert habe. Und was er studiert habe.
Das frag mal deine Ausbilder wenn es um Notkompetenz geht. Vorher einfach Finger weg. Alles was in den Körper geht ist dem Arzt vorbehalten, der kann es delegieren.
Nein. Lass solchen Blödsinn einfach sein. 1.: Wird das alleine schwierig, 2.: Hat man dazu kein Material, 3.: BASISMAßNAHMEN!, 4.: BASISMAßNAHMEN!, 5.: BASISMAßNAHMEN! 6.: Rechtsprobleme ohne Ende
OT: Was ist ein Pflegefachmann?
Pflegefachmann ist der neue Gesundheits und krankenpfleger. Wir haben alles zusammen altenpflege, Kinder und Langzeitpflege. Wir dürfen in allen Bereichen arbeiten.
Im neuen Gesetz ist es so das wir viggos legen dürfen wir können das selber entscheiden.
Achso, das StGB würde revidiert? Sorry, konnte ich nicht wissen. Übrigens, so Experten wie dich nennt man bei der Feuerwehr "Heissdüsen", Typen die ihrer Qualifikation um Längen voraus sind und immer direkt bei Punkt 10 auf der Agenda anfangen, anstatt bei 1.
Ich mache nämlich nebenbei noch mein Rettsan.