Was sind Siedekeime?
bei einem Siedeverzug fehlen sogenannte „Siedekeime“, kann mir jemand erklären was ein Keim ist und was sie bewirken chemisch gesehn?
3 Antworten
Wenn man Kristalle "züchtet", impft man die Lösung / Schmelze oft mit einem winzigen Kristall, einem "Kristallkeim". Es ist sehr viel leichter, eine bereits vorhandene Kristallstruktur fortzusetzen, als eine Kristallstruktur zufällig aus dem Chaos entstehen zu lassen.
Die Entsprechung beim Sieden ist ein Gasbläschen - es ist sehr viel leichter, dass sich Flüssigkeitsdampf in einem schon vorhandenen Gasbläschen (in aller Regel Luft) bildet, als dass sich zufällig ein Dampfbläschen innerhalb der Flüssigkeit bildet.
Das liegt in diesem Fall großenteils daran, dass der Druck, den eine gekrümmte Oberfläche erzeugt, umso größer ist, je stärker die Oberfläche gekrümmt ist ("mittlere Krümmung"). Damit braucht man einen viel, viel kleineren Druck, um ein bereits bestehendes Bläschen ein wenig zu erweitern, als ein komplett neuese Bläschen (mit extrem kleinem Radius = extrem großer Krümmung) zu erzeugen.
Da beim Sieden sich nur die physikalische Phase ändert (flüssig -> gasförmig), die Stoffe chemisch gesehen aber unverändert bleiben, bewirkt so ein Siedekeim chemisch gesehen eigentlich gar nichts; nur physikalisch. Aber die Dynamik bei Phasenübergängen und die Dynamik bei chemischen Reaktionen lassen sich oft durch sehr ähnliche bis gleiche mathematische Gleichungen darstellen; in diesem Sinne wirkt ein Keim (ob Kristall- oder Siedekeim) als Katalysator, der das Verlassen eines "metastabilen Systems" deutlich erleichtert.
-----
Zum metastabilen System: Ein metastabiles System ist ein System, das sich nicht im Gleichgewicht befindet - und sich von daher spontan ändern müsste -, das aber für diese Änderung eine so hohe "Anregungsenergie" braucht, dass diese Änderung von allein nicht oder nur extrem langsam vor sich geht.
Einfaches Beispiel: Eine Tasse Wasser läuft nicht von allein aus, obwohl es energetisch sehr viel günstiger wäre, das Wasser auf dem Fußboden statt in der Tasse auf dem Tisch zu haben. Als "Katalysator" kann hier z. B. das Baumwollfädchen an einem Teebeutel dienen - das Fädchen ist "benetzbar", es wird also Energie frei, wenn sich Wasser anlagert. Das Wasser kriecht von allein den Faden entlang (Kapillareffekt), und wenn das Fädchen über den Tassenrand hinaus nach unten hängt, kann das Wasser den Faden entlang aus der Tasse hinauskriechen.
das war sehr hilfreich, danke!
Kleine Partikel, an denen sich Dampfblasen bilden können, oder auch rauhe Oberflächen auf denen das passieren kann. Wenn Siedekeime fehlen, dann handelt es sich um destilliertes Wasser (oder andere hochreine flüssige Substanzen) in einem Gefäß mit ganz glatten Oberflächen.
Im Grunde reden wir von Dreck und Kratzern, wenn man in diesem Beispiel von "Keimen" spricht.
Ist ein bisschen so wie das mit der Cola und dem Mentos. Wenn man ein Mentos in eine Cola wirft, dann fängt die Cola explosionsartig das Schäumen an, weil die Kohlendioxid-Bläschen sich an der extrem rauhen Mentosoberfläche (sieht unter dem Mikroskop aus wie eine Kraterlandschaft) aus der Flüssigkeit abspalten können. Wenn man eine glatte Glasmurmel in die Cola wirft passiert nichts, weil die Oberfläche zu glatt ist und das Gas an dieser Oberfläche nicht ausperlen kann.
Du tust "Siedesteine" (kleine Steinchen aus Ton oder Teflon) in den Kolben, an dem sich Gasblasen bilden können.