Notfallsanitätet / Arzt?

6 Antworten

Zu 1.) Es ist schlicht und ergreifend nicht möglich, so einen Vergleich zu ziehen. Die Ausbildung des NotSan beschränkt sich ausschließlich auf die präklinische Notfallversorgung - ein Bereich, der im Medizinstudium kaum Erwähnung findet. Am Ende seiner drei Jahre Ausbildung ist ein NotSan einem frisch gebackenen Arzt in Sachen Rettungsdienst um Längen voraus. Er hat wesentlich mehr praktische Übungen und Praktika auf der Rettungswache abgeleistet und Einsätze begleitet, als ein Mediziner, der vielleicht im praktischen Jahr seines Studiums mal bei 5 oder 6 Einsätzen im Notarzteinsatzfahrzeug als Dritter mitfahren durfte. Dafür ist der Arzt in allen Bereichen der Medizin wesentlich tiefer gehend theoretisch ausgebildet. Deswegen also nein - man kann das leider so nicht sagen.

Zu 2.) Ob die NotSan-Ausbildung einem nun schwerer oder leichter fällt... Also, ich kenne einige ärztliche Kollegen, die niemals eine NotSan - Ausbildung durchgestanden hätten (und auch heute um die Notfallrettung einen großen Bogen machen, viele Jahre nach dem Studium), aber sie haben ein Medizinstudium geschafft. Andersrum ist es sicher auch möglich. Man darf schon davon ausgehen, dass ein Medizinstudium wesentlich komplexer und 1000 Mal theoretischer ist, als die NotSan-Ausbildung. Hast du Probleme, dir alle großen Knochen zu merken? Dann stell dir vor, wie doof es sein kann, sich wirklich ALLE Knochen zu merken, mehr als 200, und zwar mit Namen, den Ansatzpunkten aller Muskeln daran (und den Namen der Ansatzpunkte) und wie diese Muskeln innerviert werden. So als Beispiel. Ich weiß noch, wie ich nächtelang die Merksätze auswendig gelernt habe, um ja alle Handwurzelknochen oder die Abgänge der Arteria carotis in der richtigen Reihenfolge hin zu bekommen ... und das war nur ein reines Auswendiglernen. Der richtige Spaß ging dann in der Biochemie oder Physiologie los... Das kann man in allen Bereichen der Medizin beliebig fortführen.

Ich selbst habe meine Karriere als Rettungsassistent begonnen, bevor ich ins Studium gewechselt bin. Ich muss sagen, es hat mir für den theoretischen Teil rein gar keinen Vorteil gebracht - für den praktischen Teil und den Berufseinstieg aber schon, weil ich mit Notfällen und stressigen Situationen psychisch ganz gut umgehen konnte und auch schon Übung darin hatte, mich auf Patienten und ihre Sorgen einzustellen. Und es hilft auch, wenn man schon an der Gesichtsfarbe gelernt hat, zu unterscheiden, ob der Patient wirklich schlecht dran ist oder nicht.

Naja, jedenfalls ist es zusammengefasst sehr schwer, die beiden Ausbildungen wirklich sinnvoll zu vergleichen, so leid es mir tut ...

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Da der medizinische Schwerpunkt beim NotSan fast "nur" präklinische Versorgung und Notfallbilder beinhaltet halte ich selbst 30% noch reichlich hoch angesetzt. Natürlich gehören zur Ausbildung NotSan auch medizinisch untypische Lerninhalte mit denen Medizinstudenten eher nicht in Kontakt kommen. Andererseits wird man halt Spezialist und kann auf dem Gebiet Präklinik viel normalen Hausärzte übertreffen.

Das Medizinstudium m.e. ist deutlich schwerer.

BLOOM10 
Beitragsersteller
 09.06.2020, 23:26

Und was meinst wenn man die Lerninhalte der NOTSAN Ausbildung schafft zu lernen, denkst du ein NotSan kann dann auch ein Medizin Studium "schaffen"?Denn die NotSan haben ja ne wirkliche Menge die sie lernen in der Ausbildung.

MAB82  09.06.2020, 23:30
@BLOOM10

Klar kann man das dann schaffen, aber man darf es halt nicht unterschätzen. Wenn ich zB. an den ganzen umfrangreichen Anatomieteil denke, da liegen Welten zwischen NotSan und Medizinstudent . Trotzdem habe ich viele kennengelernt die erfolgreich von Rettungsdienst ins Medizinstudium gewechselt haben.

BLOOM10 
Beitragsersteller
 09.06.2020, 23:23

Meinst du denn man kann das denn als gute Basis sehen? Um ins Medizin Studium zu starten? Übrigens sehr hilfreiche Antwort vielen Dank :)

MAB82  09.06.2020, 23:27
@BLOOM10

Einen klaren Wissensvorsprung und startvorteil gegenüber Schulabgängern hat man auf jeden Fall.

Ich mache die Notsan Ausbildung und sie ist schon Anspruchsvoll.

Du musst dich halt in fast jedem med. Fachgebiet etwas auskennen ( Kardiologie, Anästhesie, Pulmologe, Gynäkologie,...)

Eine Prozentzahl, kann ich dir nicht nennen. Aber es ist auf jeden Fall eine gute Grundlage für ein Medizinstudium.

Das kann man wohl kaum realistisch sagen. Der Notfallsanitäter ist ein Gesundheitsfachberuf mit dem absoluten Ausbildungsschwerpunkt der präklinischen Notfallversorgung und ein Studium der Medizin, soll in allen Fachbereichen der Medizin grundlegende Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln. Manche Krankheitsbilder haben in der präklinischen Notfallmedizin einfach keine entscheidende Relevanz und einige Untersuchungsmethoden sowie Behandlungsmethoden (u.a. bildgebende Verfahren wie Röntgenaufnahmen, CT und MRT), gibt es im Rettungsdienst gar nicht, der NotSan braucht hier also auch kein detailliertes Fachwissen in der Auswertung dieser. Entsprechend der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, wird der NotSan in erster Linie darin ausgebildet, Krankheitsbilder an ihrer Symptomatik zu erkennen und in Untersuchungsmethoden ohne technische Hilfsmittel (klar, im Rettungsdienst gibt es ein EKG und ein Pulsoxymeter, Blutdruck, Blutzucker undsoweiter), aber im Vergleich zu den Möglichkeiten, die ein Arzt in einem Krankenhaus zur Verfügung stehen hat, ist dies wenig an Technik. Mfg.

Ich denke der Prozentsatz wie von Dir gewünscht liegt bei deutlich unter 10%.

Ich habe als Krankenpfleger Medizin studiert und hatte so gut wie keine Vorteile im Studium.

Rollerfreake  24.11.2020, 17:52

Notfallsanitäter und Gesundheits- und Krankenpfleger, sind aber auch unterschiedliche Berufsbilder mit ganz unterschiedlichen Ausbildungszielbestimmungen in ihren Ausbildungsgesetzen. Wenn man Paragraph 4 des Notfallsanitätergesetzes (NotSanG) mit der Ausbildungszielbestimmung im Krankenpflegegesetz oder jetzt im Pflegeberufegesetz miteinander vergleicht, dann werden diese Unterschiede einem sehr schnell deutlich. Ein Notfallsanitäter hat u.a. wenig Ahnung in der Pflege, er verbringt im Rahmen seiner dreijährigen Berufsausbildung nur 80 Stunden auf der allgemeinen Pflegestation (Anlage 3 der NotSanAPrV) und dementsprechend klein, ist auch der theoretische Teil zur Pflege in der Ausbildung. Ein Notfallsanitäter ist Spezialist in der präklinischen Notfallversorgung aber auch nur in dieser, ihn mit dem Pflegeberuf zu vergleichen ist genauso ein "Äpfel und Birnen" Vergleich wie Notfallsanitäter und ärztliches Studium zu vergleichen. Ich denke aber, dass man als Notfallsanitäter schon etliche Vorteile in einem Medizinstudium hat, vor Allem in der Praxis, alleine wenn man sich ansieht, was Notfallsanitäter an invasiven medizinischen und somit ja an ärztlichen Maßnahmen eigenverantwortlich beherrschen müssen (Anlage 1 der NotSanAPrV und sogenannter "Pyramidenprozess" zum Notfallsanitätergesetz), dann hat der Notfallsanitäter hier bereits viele praktische Fähigkeiten, die ein Arzt auch haben muss, bereits in seiner Berufsausbildung erlernt. Mfg.

fraeknar  24.11.2020, 18:23
@Rollerfreake

Das ist alles richtig was du schreibst.

In der Tätigkeit hast du Vorteile. Also im PJ. Dann ist das Studium aber fast fertig. Bis dahin mußt du auswendig lernen, ein paar wenige Zusammenhänge erkennen und auswendig lernen, auswendig lernen und noch mal auswendig lernen. Und dabei hast du null Vorteile.

Ob du gut oder schlecht im Medizinstudium bist, hängt an zwei Faktoren: Fleiß, Zeit und der Fähigkeit auswendig lernen zu können.

Rollerfreake  25.11.2020, 20:30
@fraeknar

Ja, dass stimmt wohl durchaus. Ich denke schon, dass man auch ein paar wenige Vorteile in der Theorie haben dürfte als NotSan. Klar, ist die Ausbildung hier längst nicht so tiefgehend wie das Medizinstudium aber man startet eben auch nicht mit null Vorkenntnissen. Symptomatiken von notfallmedizinisch relevanten Krankheitsbildern und deren Erstversorgung sowie Anatomie und Physiologie, da hat man ja schon Kenntnisse. Klar muss man vieles, vieles lernen aber man fängt eben nicht mehr damit an, wie die Reizbildung- und Reizleitung am Herzen erfolgt oder dergleichen und Symptome eines ACS auswendig zu lernen, wie man ein EKG "grundlegend" interpretiert und dergleichen, dass weiß man schon aus der Berufsausbildung. Mfg.

fraeknar  25.11.2020, 21:13
@Rollerfreake

Da widerspreche ich Dir.

Die Kenntnisse die du vom EKG hast, sind mehr technischer Natur und in der Notfallbehandlung und haben nichts mit den Kenntnissen eines Arztes zu tun. Max 10 % Vorkenntnisse - mehr nicht.