Pharmazie studieren? Ja oder Nein?

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Ich will gerne versuchen Dir ein wenig Rat zu erteilen. Ich bin ausgebildeter und praktizierender Apotheker und als Filialleiter tätig, außerdem Dozent an einer PTA-Schule und bis vor zwei Jahren auch an der Uni. Ich halte mich mal an Deine Fragen. :)

Welche Berufschancen hat man später und in welchen Gebieten.

Sehr gute Berufschancen. Apotheker werden gesucht ohne Ende. Wir hatten zwei Wochen lang eine landesweite Stellenanzeige laufen und gemeldet hat sich nur einer (trotz guter Verkehrsanbindung der Apotheke und auch insgesamt guter Lage im Bereich Bergisches Land-Rheinland-Niederrhein-Ruhrgebiet). Zwar dürfte sich die Situation durch zu erwartende Schließungen von Apotheken geringfügig verschlechtern, aber Apotheker werden immer gebraucht. Mit dem Job bist Du aber nicht auf die öffentliche Apotheke angewiesen: Krankehausapotheken (deutlich wissenschaftlicherer Ansatz), Buindeswehrapotheken, forschende Industrie, selbst Journalismus kommt in Frage! Die Felder sind zu viele, um sie hier aufzuzählen.

Wie sind die Arbeitszeiten und der Gehalt (Stundenlohn) geregelt?

Sehr verschieden. Gehen wir von einer öffentlichen Apotheke aus: die meisten öffnen zwischen 8:30 und 18:30/19:00. 40 Wochenstunden sind üblich in einer Sechs-Tage-Woche. Im ersten Berufsjahr verdienst Du knapp 3000,- Brutto, also ohne Steuerabzug. Je nach Steuerklasse kommen da etwa 1600,- netto bei raus. Das aber ist nur der Tariflohn! Aufgrund des Apothekermangels sind Löhne mit bis zu 30 % über Tarif, Sonderprämien, Dienstwagen etc. nicht unüblich. Als Filialleiter kannst Du durchaus mit über 4000 € brutto rechnen.

Wie ist das Studium (Praxis, Theorie) ?

Hart. Sehr hart. Es ist einer der kürzesten Studiengänge (Acht Regelsemester) mit dehr viel Stoff. 35 Wochenstunden reine Unizeit (Mo. - Fr.) waren nicht selten, dazu musst Du aber noch Lernzeit daheim rechnen (im Schnitt sicher zwei Stunden täglich plus Wochenenden). Es stellt sich also die Frage: gibt es ein Leben neben dem Pharmaziestudium? Ja, gibt es. Aber es geht vielleicht zu Lasten der Studiendauer. Zehn bis zwölf Semester Studienzeit stellen nach meinem Gefühl die Regel dar. Das Studium läuft vier Semester, dann kommt das erste Staatsexamen (Multiple Choice, fünf Fächer). Nach weiteren vier Semestern kommt das zweite Stex (fünf Fächer, mündlich), dann das einjährige Praktikum, dann das dritte Stex (ein Fach, mündlich). Das Studium selbst ist ziemlich Chemie-lastig. Entgegen anderer Meinungen ist das Latein nicht ganz so präsent wie noch vor Jahren, heute dominiert eher das Englische.

Würdet ihr mir diesen Studiengang empfehlen?

Das war zwar Deine erste Frage, aber ich nenne sie zum Schluß. Würde ich heute noch Pharmazie studieren? Gute Frage. Wohl eher nicht, allerdings nur aus Interessensgründen. Grundsätzlich arbeitest Du in einem sehr interessanten Job, aber Dir muss klar sein, dass Du - für einen Akademiker mit der Verantwort, die Du trägst, nicht wirklich adäquat entlohnt wirst - die jeweiligen Regierungen aufgrund der scheinbar noch vorherrschenden Meinung, den Apothekern gehe es zu gut, ständig Gesetze zum Nachteil der Pharmazeuten erlässt (Stichwort AMNOG) - Du hauptsächlich mit alten und kranken Menschen zu tun hast - Du mehr und mehr als Abzocker und Profiteur in der Öffentlichkeit stehst (bestes Beispiel ist der Kommentar vom User Mucker)

Dem gegenüber stehen - absolut sichere Jobaussichten - sehr vielfältige Situationen in der Apotheke, die Deine Kreativität fordern - gute Arbeitszeiten - oft nicht unangenehme Arbeitsverhältnisse

Ich hoffe, ich konnte Dir helfen. Bei näheren Fragen schreibe mich einfach an. So oder so: viel Erfolg für die Zukunft :)

Informier dich am besten bei Tag der offenen Tür an der Uni direkt, dann siehst du, was dich dort erwartet. Viele Unis haben auch sogenannte OSA-Tests. Da kannst du schauen, ob das Studienfach etwas für dich ist und auch eindrücke von Studenten einholen.

und beruflich.... da rat ich dir zu einem Praktikum in einer Firma, eine Betrieb, in welchem du später einmal arbeiten könntest.. sowas sieht auch gut bei der Bewerbung dann später mal aus ;)

Empfehlen? Keiner kennt Deine Talente hier! Pharmazie ist hochinteressant! Fühlst Du Dich dazu berufen? Bist Du gut in Latein? Könntest Du Dir vorstellen, z.B. eine Apotheke zu leiten ? Kannst Du mit Menschen umgehen? Zwischen Theorie und Praxis ist´s oft ein himmelweiter Unterschied! Eines noch: Es sollte der Spaß am Beruf Vorrang haben und nicht die Kohle! Denn den gewählten Beruf gilt es bis zur Rente entweder zu ertragen, oder mit Freude zu praktizieren! Das alleine bringt letztendlich den Erfolg! Nebenbei: Bin keine Pharmazeutin!

Vielleicht löcherst Du mal den Apotheker Deines Vertrauens damit...

Ich hätte mit diesem Beruf echt Probleme – sind doch so viele unnütze und ineffektive Medikamente auf dem Markt – mit Nebenwirkungen etc. - geht in der Branche doch Profit vor Gesundheit – geht es doch gar nicht mehr um Heilung – sondern überwiegend um Symptombekämpfung bzw. Symptomunterdrückung etc. !

Schwere Kritik an Praktiken im Arzneimittelwesen

Der nur noch bis August tätige Leiter des Institutes für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Peter Sawicki hat in der Frankfurter Rundschau (FR) über Hintergründe seiner Nicht- Vertragsverlängerung und Einsichten aus seiner Arbeit am Institut gesprochen.

Er erhob dabei schwere Vorwürfe gegen Kreise in der Pharmaindustrie. Nach seinen Angaben verfügt die Pharmaindustrie nicht über genügend fortschrittliche Medikamente.

Im Raum steht auch der Vorwurf der Einflussnahme auf die Entscheidung, dass der als industriekritisch geltende Sawicki, keine Vertragsverlängerung beim IQWiG bekam.

Insgesamt vertritt Sawicki die Ansicht, dass für Pharmafirmen der rein ökonomische Nutzen im Vordergrund stehe.

So würden Medikamente in der Entwicklung vernachlässigt, die für Krankheiten geringen Ausmaßes und somit auch geringen Absatzes und Verdienstes stehen würden, wie zum Beispiel bei Enzymdefekten bei Kleinkindern.

Einer ethischen Verantwortung werde sich hier nicht genügend gestellt.

Es sollten keine Studien unterschlagen, nicht bestochen und nicht betrogen werden.

Er plädierte indirekt dafür, Kräfte in der Industrie zu unterstützen, die für mehr Transparenz und eine Wendung zum Besseren stünden. (…..)

http://www.heilpraxisnet.de/naturheilpraxis/sawicki-kritik-an-praktiken-im-arzneimittelwesen-0912.php

Henningway  01.04.2012, 19:41

Ich hätte mit diesem Beruf echt Probleme – sind doch so viele unnütze und ineffektive Medikamente auf dem Markt – mit Nebenwirkungen etc. - geht in der Branche doch Profit vor Gesundheit – geht es doch gar nicht mehr um Heilung – sondern überwiegend um Symptombekämpfung bzw. Symptomunterdrückung etc. !

Ein Interview mit dem gerade entlassenen und nachtretenden Sawicki als Quelle Deines Pauschalargumentes zu nennen, ist nicht unbedingt sachlich. Unnütze und ineffektive Medikamente gibt es sicher, aber wie viele der 80.000 gelisteten in Deutschland sind denn das? Nebenwirkungen haben Heuballen auch, frag mal die Allergiker. Symptombekämpfung und -unterdrückung? Wann und in wie viel Prozent der Fällen geht "es denn nur darum"? Und ist das grundsätzlich schlecht? Da möchte ich mal Deine Argumente sehen, wenn Du einem Tumorpatienten oder jemandem mit Skoliose die Palliativtherapie verweigerst, weil damit ja auch nur Symptome unterdrückt werden.

Mucker  03.04.2012, 09:58
@Henningway

Es gibt eine Menge Medikamente - die unverzichtbar sind - das will ich gar nicht bestreiten ! Aber 80 000 Medikamente in Deutschland - halte ich für ziemlich übertrieben - das Ausland kommt mit wesentlich weniger aus !

Und solange die Gesundheit des Patienten im Vordergrund steht - habe ich nichts einzuwenden - denn krank können wir alle mal werden !

Wenn aber Profit vor Gesundheit rangiert - wenn Medikamente - die sich bewährt haben - vom Markt genommen werden - nur weil das Patent abgelaufen ist - wenn Scheininnovationen in den Markt gedrückt werden - wenn Pharmaskandale - und davon gibt es nicht wenige - vertuscht werden - wenn Ärzte u.a. bestochen werden etc. - dann schrillen bei mir die Alarmglocken !

Und wenn der Politiker Horst Seehofer in einem Fernsehinterview sagt - dass die Pharma-Industrie seit über 30 Jahren wirkliche Reformen im Gesundheitswesen verhindert - sollte das doch zu denken geben !

Ein bisschen mehr kritischer Verstand der Patienten und Bürger - mehr Transparenz - und ein weniger zögerliches Verhalten der Politik gegenüber den Auswüchsen im Gesundheitswesen - würde dessen Schieflage nur gut tun !

Es gibt viele kritische Beiträge und Bücher zu diesem Thema !

Interessant sind z.B. die Beiträge im Spiegel und die Bücher von Jörg Blech, der Beitrag von Marc Pitzke : Pharma reich, Arzt versorgt, Patient tot, SpiegelOnline, 10.5.2007 etc.

Henningway  04.04.2012, 11:29
@Mucker

Jörg Blech erläutert in einem seiner Bücher ausführlich, dass es die Krankheit Hypotonie nur bei uns gibt und das ein Beispiel für die Machenschaften der Pharmaindustrie ist. Jetzt frage ich mich: sind alle Hypotoniker, die in die Apotheke gehen und Medikamente bekommen, von der Pharmaindustire geschickt worden? Was ist mit denen, die durch einen hypotonisch bedingten Schwindelanfall stürzen, sich verletzen? Von Bayer angestiftet?

Wenn man kritische herangehensweisen schon propagiert, dann sollte man sich aber nicht von den "Kritikern" gleichsam blenden lassen.

Mucker  04.04.2012, 14:17
@Henningway

Mit deinem kritischen Verstand scheint es auch nicht weit her zu sein - denn deine Beispiele und Argumentation sind ziemlich dünn ! ich glaube nicht - dass du Bücher des Spiegel-Journalisten Jörg Blech gelesen hast - und wenn - dann haste die nicht richtig verstanden !

Mucker  04.04.2012, 14:34
@Mucker

Es gibt ja nicht nur die von mir genannten Kritiker des Gesundheitssystems - sondern noch eine Menge anderer - die vor allem die Preistreiberei der Pharma-Industrie kritisieren - von der du als Apotheker natürlich profitierst - und deshalb das Spiel mitmachst !

Ist doch klar - dass jemand - der mit denen in einem Boot sitzt - lieber Ablenkung und Schönrederei praktiziert - als sich eine kritische Haltung zu erlauben !

Gina02  31.03.2012, 20:55

Ehrlcih: So kann man Einem ein Studium für diesen Berufsstand echt madig machen! Kommst Du ohne Apotheke und Beratung aus? Ich nicht!

Mucker  03.04.2012, 10:12
@Gina02

Hi Gina - ich komm natürlich auch nicht ohne aus !

Darum geht es aber nicht in ester Linie - es geht um die Auswüchse und die Schieflage des Gesundheitssystems !

Und da kann es nicht schaden - sich ein bisschen Gedanken zu machen - und als Bürger dabei mitzuwirken - dass das nicht noch schlimmer wird !

Gina02  03.04.2012, 11:05
@Mucker

Das mag schon stimmen, Mucker, doch das war nicht die Frage. LG, gina